Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
sich an. „Es wird immer besser“, murmelte Karl.
Dann jagten sie hinter von Freising in die dunkle Klamm hinein.
LIV
Sie hatte zu lange gebraucht – das Morgenlicht fiel bereits durch die winzigen Fenster des Stalls herein. Noch immer standen drei Katzen vor Sophie und reckten gierig die Köpfe. Sie neigte die Zitze des Euters und spritzte den Katzen ein letztes Mal die Milch in die weit aufgerissenen Mäuler. Dann ließ sie die Zitze los. Die Katzen begannen, sich unter lautem Geschnurre zu putzen.
Sophie lächelte sanft, packte dann die beiden schweren Holzeimer mit der warmen, dampfenden Milch und verließ den Stall.
Haus und Stall lagen nicht sehr weit voneinander entfernt, aber die Sonne war schon fast aufgegangen und tauchte als rotglühende Scheibe über den Bergen auf. Sophie trug nur den Umhang über ihren Kleidern, Kopf und Arme waren ungeschützt.
Sogleich brannte das schwache Tageslicht auf ihrer Haut, ihre Augen begannen zu tränen. Wie durch einen Schleier sah sie das dunkle Viereck der Hintertür des Hauses. Sie holte tief Luft, schloss die Augen und ging schnellen Schrittes los. Mit fast schlafwandlerischer Sicherheit fand sie den tausendmal gegangenen Weg.
Sie spürte den festgestampften Boden unter den Füßen, gleich hatte sie es geschafft. Sie öffnete die Augen – doch zu früh. Gleißend brannten sich Sonnenstrahlen in Sophies Augen. Schreiend geriet sie ins Straucheln, die beiden Eimer wankten –
Eine Hand packte sie, zog sie in die schützende Dunkelheit des Hauses. Donnernd fiel die Tür zu.
„Heinrich?“ Ihr Atem ging stoßweise.
Er nahm ihr die beiden Holzeimer ab. „Warum hast du so lange gebraucht?“
„Ich wollte – heute hat Anna Geburtstag, und ich wollte ihr etwas Besonderes machen. Dazu brauch ich mehr Milch.“
Der strenge Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht. „Du musst besser auf dich aufpassen.“
Sophie nickte schweigend.
„Wie lange, glaubst du, kannst du noch draußen bleiben?“
„Ich weiß es nicht. Aber es wird immer schlechter.“
„Wie bei den anderen.“ Er überlegte. „Aber wir werden ihnen nichts erzählen. Noch nicht. Vielleicht geht es noch über den Sommer.“
„Und dann?“
„Wir werden sehen.“
Heinrich drehte sich um und ging voran, die Eimer mit der Milch in den Händen. Als der Schmerz langsam abklang, folgt Sophie ihm.
In der Rauchkuchl war es düster, die Verschläge vor den Fenstern waren geschlossen und zusätzlich mit schwerem Tuch verhängt. Anna und Magdalena aßen auf einer der Bänke an der Wand, daneben Thomas und Katharina, deren runder Bauch mittlerweile unübersehbar war.
Über dem offenen Herdfeuer hing ein Kessel, aus dem es dampfte, der Geruch von Brennsuppe erfüllte die Küche.
Sophie zog ihren Umhang aus, Heinrich stellte die Eimer ab. „Wo sind Simon und Maria?“, fragte er.
„Sie helfen im Haus neben der Kirche bei den Arbeiten. Thomas ist bei ihnen.“
Heinrich nickte. Wie immer war viel zu tun, also teilte man sich auf, bei Tag und bei Nacht.
Neben dem Feuer standen Becher, in die Magdalena nun Milch füllte. Sie gab jedem von ihnen einen. Sophie nahm den Becher und setzte sich zu Anna. Mit Genuss tranken sie in kleinen Schlucken, dann nahmen sie eine Scheibe harten Brotes, tauchten es in die Milch und aßen mit Appetit.
„Frische Milch“, sagte Thomas. „Es gibt nichts Besseres!“ Er warf Sophie einen dankbaren Blick zu, den sie lächelnd erwiderte.
Als sie vor Tagen mit Heinrich aus den Wäldern heruntergekommen war, hatte es eine Versammlung in der Kirche gegeben. Heinrich hatte zu den anderen darüber gesprochen, wie sehr ihre Gemeinschaft Sophie brauchte. Auch Sophie hatte das Wort ergriffen und aufrichtig erzählt, was sie ihnen gegenüber empfand – aber auch, dass sie versuchen würde, sich zu ändern.
Seitdem war das Verhältnis besser geworden. Noch waren beide Seiten misstrauisch, aber das Misstrauen schwand mit jedem Tag, an dem Sophie unermüdlich die Arbeiten tat, die die Ausgestoßenen nicht erledigen konnten. Und mit jedem Tag verlor auch Sophie etwas von der Wut, die sie seit jener Nacht beherrscht hatte.
„Die Suppe ist gleich fertig“, sagte Magdalena.
Sophie war müde, aber sie war froh, dass sie zumindest das Vieh hatten. Auch Brot und Korn reichten noch, und wenn die Ernte gut war, würden sie problemlos ins nächste Jahr kommen.
Was dann war, würde man sehen. So hatte Heinrich es ausgedrückt.
Ihr Blick fiel auf Katharina. Seit Kajetan Bichter war kein
Weitere Kostenlose Bücher