Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
–“
„Vergiss es ganz schnell wieder. Nur Worte von früher, die keine Bedeutung mehr haben.“
„Bleibst du bei uns?“
„Natürlich bleib ich bei euch.“
„Der Traum –“
„Du musst ihn mir nicht erzählen.“
„Ich will aber.“ Anna blickte Sophie ernst an. „Ich hab geträumt, dass ein Sturm kommt und uns alle verschlingt.“
Sophie lächelte. Bei den andauernden Unwettern war es kein Wunder, dass das Kind davon träumte. „Anna –“
„Nein, es war kein normaler Sturm. Ein Mann bringt ihn. Er führt andere Männer in Schwarz zu uns – und den Tod.“
Plötzlich begann sie zu weinen, Sophie umarmte sie und drückte sie fest an sich. Sie summte das Lied, das ihre Mutter immer für sie gesungen hatte, wenn sie Angst hatte.
Das Weinen wurde leiser und verstummte schließlich. Als Anna eingeschlafen war, verließ Sophie leise das Zimmer.
Später versammelten sie sich in der Stube unter dem Herrgottswinkel. Alle gratulierten Anna, sie bekam geflickte Kleidung und von Heinrich einen kleinen Korb saftiger Äpfel.
Dann aßen sie mit Appetit das Mus, Anna schmatzte vor Begeisterung.
Nach dem Essen nahm Heinrich Sophie beiseite. „Was ist mit ihrem Traum?“, fragte er leise.
Sophie zögerte. „Ich weiß nicht. Sie sagt, dass ein Sturm kommen wird, und ein Mann, der den Tod bringt.“
„Was glaubst du?“
Sie zuckte mit den Achseln. „Was ich glaube, ist nicht wichtig. Jedenfalls glaubt Anna, dass es geschehen wird.“
„Manche ihrer Träume sind nicht wahr geworden“, sagte Heinrich nachdenklich. Dann blickte er Sophie an. „Mit diesem wird es sich wohl auch so verhalten.“
Sein besorgter Gesichtsausdruck strafte seine Worte lügen.
Während Sophie im Dunkel des Hauses mit Heinrich sprach, stand draußen die Sonne warm am blauen Himmel, Grillen zirpten, Vögel zwitscherten, Füchse und anderes Getier strichen wachsam durch die Wälder, bereit, beim leisesten Geräusch Reißaus zu nehmen.
In den abgedunkelten Häusern des Dorfes arbeiteten die Ausgestoßenen, schliefen oder hingen ihren Gedanken nach.
Gedanken, die sich meist um das Draußen drehten. Um die Sonne, um Wärme. Um etwas, das viele von ihnen nur aus Erzählungen kannten, aber mit aller Leidenschaft ersehnten.
Dann verging der Tag wie unzählige vor ihm. Die Schatten wurden länger. Als die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, öffneten sich die Türen der Häuser. Ihre Bewohner kamen heraus und begannen ihre Tätigkeiten, nun, da sie sich gefahrlos im Freien aufhalten konnten.
Manch einer blickte seufzend zum Horizont, wo noch vor Kurzem die Sonne gestanden hatte. Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu, während über ihm die Sterne standen und mit kaltem Licht die Nacht erhellten.
LV
„Anhalten!“
Elisabeth nahm alles wie durch einen Nebel war. Zwar hörte sie den Befehl, war jedoch nicht in der Lage zu reagieren. Sie ritt einfach weiter – wie die Tage zuvor.
Plötzlich spürte sie, wie ihr die Zügel aus der Hand gerissen wurden. Das Pferd blieb so abrupt stehen, dass sie fast aus dem Sattel fiel.
Jemand hob sie vom Pferd und legte sie auf eine weiche Unterlage. Waren da Stimmen um sie? Alles war so dumpf, die Erschöpfung so allumfassend, dass sie nicht richtig hören und sehen konnte. Dafür fühlte sie umso mehr:
Das Pulsieren der schwarzen Verästelungen am ganzen Körper.
Das Blut, das in ihren Adern zu kochen schien.
Die rasenden Schmerzen in ihrem Unterleib.
Der Ritt hatte seinen Tribut eingefordert.
Wenn er nicht das Kind selbst einforderte.
Der Gedanke riss sie aus ihrer Erschöpfung. Sie richtete sich ein wenig auf, kniff die Augen zusammen, versuchte, ihre Umgebung genauer wahrzunehmen. Sie erkannte Muster und Gestalten, kniff die Augen noch mehr zusammen –
Soldaten. Viele Soldaten. Graue Uniformen, dreieckige Hüte.
Jetzt erkannte sie Gamelin, der mit einem der Soldaten sprach. Er deutete immer wieder auf sie. Der Soldat nickte.
Sie griff unter sich, fühlte, dass sie auf einer Art Bahre lag.
Die Stimmen verschwammen wieder, ebenso die Männer. Sie schloss die Augen und sank zurück.
„Wach auf, mein Täubchen.“
Gamelins Stimme. Sie öffnete die Augen wieder. Brenner und Gamelin standen grinsend über ihr.
„Du warst sehr tapfer“, sagte Gamelin. „Und den Tapferen hilft das Glück, wie man so schön sagt. Ab jetzt reist du unter dem persönlichen Schutz der französischen Armee.“
Zwei Soldaten traten vor und hinter sie und beugten sich zu der Bahre
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