Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
notierten jedes Wort seiner Aussage.
»Hast du einen Verdächtigen?«, fragte Mentuhotep, als Rechmire geendet hatte.
Dieser hatte sich seine Antwort auf dem Weg zum Palast sorgfältig überlegt. Warum hatte der Zweite Schreiber die Reise in den Westen antreten müssen? Wer könnte Sennodjem umgebracht haben? Parahotep? Der war gar nicht in Theben, sondern am Ort der Wahrheit – zumindest hatte er ihn dort zuletzt gesehen und niemand hatte ihn während des Opet-Festes zu Gesicht bekommen. Kaaper? Der verbrachte das hohe Fest zusammen mit den anderen Priestern in den Tempeln von Karnak und Luxor. Blieb Hunero übrig oder irgendein anderer Einwohner von Set-Maat, da sie alle in »Sobeks Rast« die Nacht verbrachten.
»Nein, Herr«, antwortete Rechmire deshalb langsam.
»Sennodjem war derjenige, auf den mein größter Verdacht gefallen war. Ihn hatte ich für den Schuldigen gehalten. Ich hatte ihn schon einer Lüge überführt und ich glaubte zu wissen, warum er Kenherchepeschef nach dem Leben trachtete. Ich habe von anderen Geheimnissen und unrechten Dingen erfahren, doch dieses Wissen ist für mich wie ein Schloss, zu dem der Schlüssel fehlt: Nichts davon scheint zu beiden Morden zu passen.«
»Du glaubst, dass die beiden Freveltaten miteinander zusammenhängen?«, fragte der Tschati nachdenklich.
Rechmire nickte und wieder wog er seine Worte sehr sorgfältig ab. Er dachte an Sennodjems letzte Botschaft. »Ich denke, dass der Zweite Schreiber irgendwie herausgefunden haben muss, wer Kenherchepeschef in das Reich des Westens geschickt hat. Deshalb wurde auch er getötet. Ich weiß fast alles von dem, was Sennodjem auch wusste, ich lebe seit einigen Tagen am Ort der Wahrheit – ich bin dem Mörder also schon sehr nahe.«
»Vielleicht wird er auch dich zum Schweigen bringen«, gab Mentuhotep zu bedenken.
»Das hat er schon versucht.«
Der Tschati lächelte fast unmerklich. »Ich weiß«, entgegnete er leise. »Mein Verwalter hat mir berichtet, dass ein betrunkener Arzt bei ihm vorstellig geworden ist, der von sich behauptete, dein Leben gerettet zu haben. Seine Geschichte klang sehr interessant. Ich gab ihm fünf Deben Kupfer für dein Leben.«
Rechmire streckte die Hände demutsvoll vor. »Das ist viel, Herr«, murmelte er erleichtert.
Mentuhotep machte eine wegwerfende Geste. »Du bist ein guter Schreiber«, sagte er, dann dachte er lange nach. Schließlich fuhr er leiser fort: »Aber die Maat am Ort der Wahrheit ist gestört. Niemals zuvor ist an diesem heiligen Platz so ein großer Frevel begangen worden – jetzt sind beide Schreiber des Dorfes im Reich des Westens. Und ihr Mörder läuft noch frei herum! Wenn du nicht dafür sorgst, dass die göttliche Ordnung wieder hergestellt wird, dann werde ich dich opfern«, sagte er kalt. »Ich werde dich von den Krokodilen zerreißen lassen, deine Seele wird für immer heimatlos durch die westliche Wüste irren.«
Mentuhotep atmete tief durch. Zum ersten Mal erkannte Rechmire, dass auch der Tschati unter einem ungeheuren Druck stand, und Furcht kam mit doppelter Gewalt über ihn. »In wenigen Stunden wird der Hohepriester das diesjährige Opet-Fest beschließen«, verkündete Mentuhotep mit gepresster Stimme. »Der Pharao wird ruhen, um sich von den großen Zeremonien zu erholen. Doch in drei Tagen wird der Sohn des Amun den Ort der Wahrheit mit seiner Anwesenheit erhellen, um sich selbst von den Fortschritten zu überzeugen, die sein Haus der Ewigkeit gemacht hat. Es ist undenkbar, dass der Herr der Beiden Länder einen Ort betritt, dessen Maat auf so frevelhafte Weise gestört worden ist. Du hast noch drei Tage – sonst fließt dein Blut –, um die göttliche Ordnung wieder herzustellen. Nun geh!«
Rechmire stand wie betäubt auf. Rückwärts und in demutsvoller Haltung verließ er dann den Saal. Die Blicke der Schreiber, die ihn nun beide schadenfroh anstarrten, bemerkte er nicht.
Als er den Palast verlassen hatte, sank er im Schatten einer Akazie entkräftet zu Boden und bedeckte die Augen mit seiner Rechten. Er fürchtete um sein Leben in dieser und in der anderen Welt, doch die Krokodile, mit denen ihm Mentuhotep gedroht hatte, erschreckten ihn nicht. Er dachte an die blutige Botschaft, die der Mörder Sennodjem hatte schreiben lassen. Der Unbekannte musste schon gewusst haben, dass der Pharao sein Haus der Ewigkeit zu sehen wünschte. Irgendwo dort würde der Mörder auf Merenptah lauern.
Und er, Rechmire, wusste zwar, dass dem Sohn Amuns am Ort
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