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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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Obstkisten vollgestellten Diele auch
nicht. Genauso wenig wie in der Küche oder im Bad. Blieb nur das Schlafzimmer,
der einzige Ort, wo man sich einigermaßen häuslich niederlassen konnte. Und
dieses Schlafzimmer würde sie jetzt so lange auf den Kopf stellen, bis sie
fündig geworden war. Die Suchaktion war nunmehr zur kniffligen Denksportaufgabe
geraten, die sie mit Entschlossenheit lösen würde.
    Sie stand auf und marschierte in die Diele, stieß
einen der Stapel mit dem Fuß um, griff nach zwei leeren Obstkisten und ging ins
Schlafzimmer zurück. Hier wurden die Kisten mit den erstbesten Sachen gefüllt,
die ihr in die Finger kamen, zum Wohnzimmer getragen und dort mit Schwung
möglichst weit nach hinten, zur Wand, geschleudert. Vier lange Stunden später
war das Schlafzimmer zumindest überschaubar und die Mülldeponie im Wohnzimmer
an die Grenzen ihres Fassungsvermögens angelangt.
    Zeit für eine kleine Pause. Sie packte die
Thermosflasche und die zwei Käsebrote aus, die sie von daheim mitgebracht
hatte, setzte sich in den Sessel und empfand eine große Genugtuung über ihr
Werk. Jetzt erst, nach diesem zweiten Frühstück, das mit einer Zigarette seinen
krönenden Abschluss fand, machten ihr der Staub und die abgestandene Luft zu
schaffen. Sie trat auf das Bett und riss den Fensterflügel weit auf. Dabei fiel
ein stark lädierter Osterhase aus gebranntem Ton vom Fenstersims zu Boden. Als
sie nach den Scherben sah, entdeckte sie das schmale Bücherregal mit zwei
langen Fächern, das, eingezwängt zwischen Wand, Obstkisten und Bett, unter der
Fensterbank stand.
    Die vier Obstkisten trug sie ebenfalls ins Wohnzimmer,
dann nahm sie, kniend auf der Bettmatratze, den Inhalt ihrer Ausgrabungsarbeit
in Augenschein. Da war zunächst ein altes Telefon. Sie notierte sich die Nummer
und starrte wieder in das Regal, das aber außer dem Telefon keine nennenswerten
Fundstücke zu bieten schien. Das obere Fach enthielt lediglich Teile einer
fragmentarischen Gesamtausgabe der Werke der Literaturnobelpreisträger von 1901
bis in die späten sechziger Jahre. Weißer Leineneinband mit Golddruck auf dem
Titel. Langsam strich sie mit dem rechten Zeigefinger über die Buchreihe …
alles Bücher von diesem Buchclub … billig und ungelesen … dann blieb ihr Finger
an etwas hängen, und sie musste lächeln.
    Die Goldgräberin Steiner hatte soeben einen
Zwölfkaräter aus den verborgenen Tiefen dieser Wohnung gefischt: zwei, drei,
sechs, insgesamt neun Terminkalender, chronologisch geordnet. Alle in schwarzem
Kunststoffeinband, alle mit einer relativ aktuellen Jahreszahl auf dem Rücken
und alle – hastig schlug sie den ersten Kalender vorne auf und blätterte ein
paar Seiten um – mit handschriftlichen Eintragungen. Hochzufrieden verstaute
sie ihre Preziosen in einer Plastiktüte, einem Überbleibsel ihrer Aufräumarbeiten,
und schloss das Fenster.
    Jetzt fehlte nur noch das Testament, von dem sie
allerdings nicht mehr sicher war, es in dieser Wohnung zu finden. Oder was,
wenn Elvira Platzer es doch irgendwo unter dem Müllhaufen im Wohnzimmer
aufbewahrt hatte, der durch ihr Zutun in den vergangenen Stunden noch um
einiges in die Höhe gewachsen war? Nein, das schien ihr nicht plausibel. Wo
dann?
    Natürlich, dass sie daran nicht gleich gedacht hatte,
nur das gab noch einen Sinn – der Keller. Sie griff nach dem Schlüsselbund und
ging zur Wohnungstür.
    Als sie die Türklinke bereits in der Hand hatte,
bemerkte sie den dicken beigen Filzvorhang rechts neben der Wohnungstür, der
vor ihrer Aktion von Obstkistenstapeln verdeckt gewesen war. Sie schob ihn zur
Seite und stieß auf eine weitere Tür, die weiß gestrichen war. Dahinter verbarg
sich ein Abstellraum. In dem trüben Licht konnte sie nur die Umrisse dessen
erkennen, was hierher verbannt worden war. Für sie sah das nach einer
respektablen Staubsaugersammlung aus.
    Sie schaltete das Dielenlicht ein, und tatsächlich –
vor ihr stapelten sich sieben Staubsauber unterschiedlichsten Alters, mit und
ohne Gebrauchsspuren. Sogar ein neuer kleiner Miele wie der ihre, den sie erst
vor einem knappen Jahr gekauft hatte, war dabei. Hinter der Sammlung befand
sich ein weiteres Regal. Sie riss die Wohnungstür auf und trug die sperrigen
Stücke eines nach dem anderen in den Hausflur.
    Als sie den letzten Staubsauger draußen vor der Tür
abgestellt hatte, schritt ein massiger Mann in den Sechzigern – Adiletten,
dunkelblauer Trainingsanzug, weißer Haarkranz, ungesunde Röte im

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