Morenga
und die Missionshäuser sind die schmucksten Bauten im Lande, Stätten nicht nur der Arbeit, sondern zugleich der Behaglichkeit und, wie ich mit aufrichtigem Dank hervorhebe, auch liebevollen Gastfreundschaft für den Reisenden.
Nur ein blinder Missionsfeind wird die Bedeutung der Brücke, die das Christentum zur friedlichen Verständigung zweier heterogener Menschenrassen schlägt, in ihrer Tragweite für die kulturelle Entwicklung des Landes verkennen. Aber ebenso sonnenklar ist, daß die Mission zum Fluch des Landes wird, wenn sie in einseitiger Verfolgung geistlicher Ziele das politische und wirtschaftliche Wohl des Landes aus dem Auge verliert. Dieses Wohl hängt davon ab, inwieweit es gelingt, den Interessenkampf zwischen der eingeborenen und der eingedrungenen Rasse nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu regeln. Diese doch so naheliegende Wahrheit wird aber immer wieder von Humanitätsutopisten wie auch von Kraftaposteln beiseite geschoben. Emotionen helfen hier überhaupt nicht. Es kann doch nicht die Frage sein, sich entweder schulterklopfend anzubiedern oder die Eingeborenen einfach auszurotten. Man muß die Kalamitäten in der Kapkolonie, aber auch im Schutzgebiet gerade jetzt, in der Zeit der Hottentottenunruhen, sich vergegenwärtigen, um einzusehen, welche ungeheure Ersparnis an Geld und Blut es bedeutet, sein Interesse mit dem der Eingeborenen richtig zu verknüpfen. (Schon jetzt sieht sich die Verwaltung im Schutzgebiet vor das ernsthafte Problem gestellt, woher sie Arbeitskräfte für den Eisenbahnbau Lüderitz-Keetmannshoop bekommen kann.)
Entscheidend für eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung ist zunächst einmal, daß man unvoreingenommen genaue Kenntnisse über die Daseinsbedingungen und Anschauungen der Eingeborenen erwirbt. Das wäre die Voraussetzung für eine richtige Menschenführung, für eine Motivation der eingeborenen Arbeiter. Erschießen, Erhängen, aber auch der Schambock. (Nilpferdpeitsche) bieten, einmal abgesehen von dem humanen Aspekt, keine optimale Lösung. Der Idealfall für die Kolonialwirtschaft wäre, den eingeborenen Arbeiter so anzuleiten, daß er eben diese Anleitung stets für seinen eigenen Entschluß hält, daß also die wirtschaftlichen Erfordernisse deckungsgleich mit seinen Wünschen werden. Eben hier liegen die Schwierigkeiten, denn es ist, wie mir auch ältere Missionare bestätigten, nach fast hundertjähriger Missionsarbeit nicht gelungen, den Hottentotten zu einem disziplinierten Arbeiter zu erziehen. Der Durchschnittshottentotte sieht im Christentum nicht zum geringsten ein Vorzugsattribut des weißen Mannes. Wie er sich in dessen Joppe und Hose oder Buntdruckrock mehr dünkt als sein Bruder oder seine Schwester im Fellschurz, so sieht er auch in seiner Zugehörigkeit zur christlichen Kirche eine standesmäßige Errungenschaft des modernen Hottentotten. Darin liegt ein vorwärtstreibendes Moment, denn der Hottentotte hat einen durchaus wachen Instinkt für alles Neue. Zugleich aber ist er zu träge und überdies zu gewitzt; er sieht im sozialen wie im privaten Leben des Weißen zu klar den Gegensatz von christlicher Theorie und Praxis, als daß er der naive, folgsame Christ würde, wie man ihn zuweilen auch bei uns antrifft. So nimmt er sich vom Christentum, was ihm gerade paßt, und die Dispute, die er, sich auf die Bibel berufend, mit Missionaren, Händlern und Beamten führt, sind gefürchtet, wobei sich ein zum anderen Mal zeigt, daß die deutschen Kolonialbeamten nur unzureichend auf solche raffinierten und schnellen Dispute vorbereitet wurden und dann, in die Enge getrieben, nur allzu schnell mit der Peitsche antworten.
Über solche utilitaristischen Beweggründe, das Christentum anzunehmen, gibt es jedoch bei den Hottentotten durchaus tieferliegende Affinitäten zwischen der christlichen Moral und ihren eigenen aus der Heidenzeit tradierten sozialen Normen, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben: Die Nächstenliebe der Hottentotten im Sinne einer steten gegenseitigen Hilfe, ihre Ehrfurcht vor dem Alter, ihre Achtung vor den Frauen, ihre zärtliche Zuneigung zu den Kindern, ihre Enthaltsamkeit fremdem Eigentum gegenüber (wenn auch nur gegenüber dem Eigentum der Stammesgenossen) sind solche autochthonen Gebote.
Aber es sind gerade diese sozialen Normen, die einer zivilisatorischen Fortentwicklung im Wege stehen. Eine solche Entwicklung beruht im wesentlichen nun einmal auf dem Prinzip der Konkurrenz einzelner
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