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Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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entgegenstreckte, musste gegen das Dröhnen derMotoren anbrüllen. Es war Kramfors, Begarells persönlicher Adjutant. Mersbeck, der eine große Kiste unter den Arm geklemmt hatte, schüttelte energisch den Kopf.
    »Auf gar keinen Fall«, rief er. »Das hier gebe ich erst aus der Hand, wenn ich den Präsidenten gesehen habe.«
    »Wie Sie wünschen!« Kramfors musste mit einer Hand seine Schirmmütze festhalten, da der Wind sie fortzuwehen drohte. »Kommen Sie! Sie werden schon erwartet!«
    Sie eilten auf eine offen stehende Tür zu, die in ein marmorgetäfeltes Treppenhaus führte, über das man direkt zum Verwaltungstrakt des Palastes gelangte. Kramfors geleitete Mersbeck an zahl losen Büros vorbei zu einem Konferenzsaal, der groß genug war, um zweihundert Menschen aufzunehmen. Doch Mersbeck fand nur zehn Personen vor. Das Kollektiv hatte sich zum ersten Mal seit seiner Entstehung vollständig versammelt.
    Da war natürlich zunächst Leon Begarell, ein unscheinbarer, schmächtiger Mann in den späten Fünfzigern, der eine Vorliebe für schlecht sitzende Anzüge und zerschlissene Schuhe zu haben schien. Sein sommersprossiger Kopf war kahl, nur am Kinn wuchs ihm ein grauer Bart. Auf den ersten Blick machte Begarell einen freundlichen, beinahe sogar naiven Eindruck. Aber wer ihm in die kalten Augen schaute, der merkte sehr schnell, dass dies nur eine Fassade war, um sein Gegenüber zu täuschen.
    Innenminister Jasper Norwins Charakter hingegen war von anderer Natur. Mit einer Miene, die Erhabenheit und Würde ausdrücken sollte, dabei aber eher einen Ausdruck unbeschreiblicher Arroganz vermittelte, schaute die Nummerzwei im Staate missbilligend zu Mersbeck. Norwin war ein Graviton. Er konnte mithilfe seiner Gedanken Dinge zum Schweben bringen.
    Staatssekretär Anders Magnusson, zuständig für Innere Sicherheit, hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und die Hände über dem Bauch verschränkt, der die enge Weste zu sprengen drohte. Er lächelte vor sich hin, als wäre er der alleinige Hüter eines für alle peinlichen Geheimnisses. Tatsächlich hatte Magnusson psychometrische Fähigkeiten. Er brauchte nur einen Gegenstand zu berühren und erfuhr so alle erdenklichen Dinge über den Menschen, der das Objekt als Letzter in der Hand gehabt hatte. Nur im Fall der kopflosen Leichen, der das ganze Kollektiv aufgeschreckt hatte, hatte ihn seine Gabe selt samerweise im Stich gelassen.
    Dann fiel Mersbecks Blick auf Severin Egmont. Der ehemalige Privatsekretär von Richter Urban war noch hagerer geworden. Irgendwie, so stellte Mersbeck belustigt fest, sah diese habichtartige Gestalt ihrem Herrn Jasper Norwin immer ähnlicher, wobei Egmonts abstoßende Unterwürfigkeit etwas Erbärmliches hatte. Egmont war nicht nur ein Springer, der sich an jeden beliebigen Ort teleportieren konnte, sondern er besaß auch die Fähigkeit der Omnipräsenz. Er konnte zur selben Zeit an verschiedenen Orten physisch anwesend sein – zumindest theoretisch. Denn um diese Gabe anzuwenden, musste er sich in mehrere Erscheinungen seiner selbst aufteilen. Nur einmal hatte Egmont dies getan und war aufgrund dieser mehr fachen Persönlichkeitsspaltung beinahe wahnsinnig geworden. Die Wellen, die dieser Zusammenbruch durch das Kollektiv geschickt hatte, warenhöchst unangenehm gewesen. Vermutlich hatte Egmont diese Gabe deswegen kein zweites Mal eingesetzt.
    Villem Strashok war von anderem Kaliber als der kriecherische Sekretär. Er strotzte vor Selbstsicherheit und scherte sich ansonsten überhaupt nicht um seine magischen Fähigkeiten. Der Forschungsminister hatte nämlich von allen Mitgliedern des Kollektivs die bizarrste Gabe: Er konnte unter Wasser atmen. Es hatte lange gedauert, bis er sich dieser Fähigkeit bewusst geworden war. Zu Beginn hatte es sogar die Befürchtung gegeben, dass er ohne besondere Befähigung ins Kollektiv aufgestiegen war. Erst als er bei einem Badeunfall beinahe ertrunken war, hatte sich sein wenig spektakuläres Talent gezeigt. Mit einem Schulterzucken hatte er es seinerzeit zur Kenntnis genommen und sich nicht weiter darum geschert. Ohnehin war es ihm wichtiger gewesen, zum engeren Führungszirkel von Präsident Begarell zu gehören, als fliegen zu können oder über andere besondere Kräfte zu verfügen.
    Strashok nickte Mersbeck knapp zu, bevor er sich wieder den Unterlagen widmete, die vor ihm lagen. Der Forschungsminister, der immer etwas Gehetztes an sich hatte, konnte sich selbst bei solch einem wichtigen Treffen

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