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Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier

Titel: Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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es aus dem ersten Stock.
    Tess stieg die Treppe hinauf und blieb erstaunt vor der Tür eines Zimmers stehen. Andre hatte ein Bett frisch bezogen und ein paar Blumen in eine Vase gestellt. Im kommunalen Waisenhaus Numme r 9 hatte sie in einem dunklen Saal zusammen mit vielen anderen Mädchen geschlafen. Hier war alles sauber und neu und luftig. Die Möbel waren aus hellem Birkenholz, Vorhänge und Bettzeug blütenweiß. Tess hatte sogar eine eigene Nachttischlampe, die ein warmes, gleichmäßiges Licht verströmte.
    »Ich habe noch nie in einem so schönen Zimmer geschlafen«, sagte Tess und ließ die Finger über den Rahmen ihres Bettes gleiten.
    »Freut mich, dass es dir gefällt«, sagte Andre. »Ich habe nicht viele Gäste. Wenn etwas fehlt, sag mir bitte Bescheid.«
    Er ging hinüber zu einem Kleiderschrank und öffnete die rechte Tür. »Hier oben liegen Handtücher. In dem Fach findest du T-Shirts und Jeans. Eins tiefer ist Unterwäsche, Socken sind in der Schublade.«
    »T-Shirts und Jeans«, echote Tess verständnislos.
    »Wenn du lieber Kleider anziehst, kein Problem.« Er öffnete die linke Tür. »Grün ist deine Lieblingsfarbe, nicht wahr?«
    Tess befühlte vorsichtig den Stoff. »Woraus besteht er?«, fragte sie erstaunt.
    »Baumwolle. Garantiert unbehandelt.«
    »Baumwolle?«, fragte sie verwirrt. »Sie meinen Wolle, die an Bäumen wächst?«
    »Eigentlich sind es Büsche. Komm mit, ich zeig dir das Bad.«
    War das Schlafzimmer schon ein Traum, so erschien ihr das Bad wie der reinste Luxus. Der Boden bestand aus rötlich braunen Fliesen, die Wände waren weiß gekalkt.
    »Da hinten ist die Dusche, aber wenn du baden möchtest, ist das auch kein Problem. Hier ist das Waschbecken. Rot bedeutet heißes Wasser, Blau steht für kalt.« Andre öffnete einen Spiegelschrank. »Zahnpasta, Zahnbürste, Zahnseide. Duschgel und Shampoo.«
    »Shampoo«, sagte Tess wie betäubt.
    »Ja. Um sich die Haare zu waschen. Wenn dir der Duft nicht gefällt, kann ich dir eine andere Sorte geben.«
    Tess nahm eine kleine Flasche aus dem Schrank und betrachtete sie neugierig.
    »Das ist ein Parfüm, Nora hat es gern gemocht. Kreiert hat es ein Russe mit dem Namen Ernest Beaux.«
    »Wie heißt es?«, fragte Tess und roch an der Flasche. Sie schloss dabei die Augen und tatsächlich: Es roch ein wenig nach Nora. Nach der jungen eleganten Nora aus dem Grand Hotel.
    »Beaux hat seine Kreationen nur nummeriert. Dies hier nannte er ›Numme r 5‹ .«
    »Es ist himmlisch.«
    »Ylang-Ylang, Jasmin und Mairose. Es hat lange gedauert, bis ich die richtige Mischung gefunden hatte.« Andre schwieg einen Moment lang, dann fuhr er fort. »Da ist noch etwas. Hier.« Es war eine in Leder gebundene, arg ramponierte Kladde. »Es ist mein Tagebuch. Lies es, und du wirst verstehen, warum ich hier bin.«
    Tess nickte. »Und wenn ich Fragen habe?«
    »Stellst du sie erst, wenn du es zu Ende gelesen hast.«
    »In Ordnung.«
    Andre lächelte. »Dann gute Nacht.« Er schloss die Tür hinter sich. Nachdem seine Schritte verklungen waren, wurde es still im Haus.
    Tess setzte sich auf den Rand der Badewanne und betrachtete das Buch. Am liebsten hätte sie es sofort aufgeschlagen, aber noch empfand sie eine gewisse Scheu davor, die Geheimnisse eines anderen Menschen zu lesen. Leise stand sie auf, putzte die Zähne und wusch sich das Gesicht. Dann nahm sie vorsichtig die Parfümflasche in die Hand. Sie öffnete den Verschluss und tropfte etwas von der goldfarbenen Flüssigkeit auf ihre Fingerspitze. Der Duft war schwer und intensiv. Vorsichtig verteilte sie die Tropfen auf ihrem Arm und schloss die Augen. Dann löschte sie das Licht und ging in ihr Zimmer. Nachdem sie sich das lindgrüne Nachthemd angezogen hatte (der Stoff war angenehm kühl), kroch sie unter die Decke und begann zu lesen. Sie wusste, dass es eine lange Nacht werden würde.
    1. Januar 2003
    Normalerweise führe ich keine Selbstgespräche. Ich bin neunundzwanzig Jahre alt und somit noch weit davon entfernt, senil zu werden. Tagebuchschreiben liegt mir nicht. Meiner Meinung nach ist das eine Beschäftigung für Menschen, die entweder zu viel Zeit haben oder sich ungeheuer wichtig fühlen. Nicht dass jetzt ein falscher Verdacht aufkommt: Zu diesen Typen gehöre ich ebenfalls nicht. Wenn es nach mir ginge, würde ich am liebsten wieder ins warme Bett kriechen. Es ist Neujahrsmorgen, elf Uhr vormittags und ich habe sechs Stunden geschlafen. Dennoch sitze ich frierend mit einer Decke über den

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