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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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Gebieten sich zu betätigen zwang, auf denen er immer mit der äußeren Welt in Streit geraten mußte. So mußte ihm die Gestalt Don Juans wachsen gegenüber all den bisherigen Gestaltungen. Er durfte kein gewöhnlicher Lüstling, kein Wüstling oder Verbrecher sein. Niemals hat eine ritterlichere Gestalt die Bühne betreten, als dieser Don Juan: Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle, von Natur und durch Erziehung. Sein ganzes Wesen ist erfüllt von Liebe zum weiblichen Geschlecht. Es ist nicht lediglich Begier: es ist eben Liebe. Darin beruht seine ungeheure Macht über das Weib. Er liebt wirklich, solange seine Begierde nicht erfüllt ist, und findet darum immer das rechte Wort. Deshalb kann er auch keine Reue fühlen. Wie kläglichwinselt Don Juan bei Tirso de Molina um einen Beichtiger. Wie gezwungen wirkt der Skeptizismus bei Molière, wo es überhaupt innerlich unlogisch ist, daß ein solcher Freigeist, für den die Welt des Geistigen gar nicht vorhanden ist, von einem Geiste gefällt wird. Mozarts Don Juan ist auch in seinem Schlußkampf, als seine Hand in der marmornen des Gastes erstarrt, von voller Größe. Er sieht seinen Tod nicht etwa wie der Don Juan Lenaus als eine Sühne an, wenn dieser sagt:
    »Die Gläser und die Herzen, alle Zechen
Habe ich bezahlt, wenn meine Augen brechen;
Mein letzter Hauch ist Sühnung und Entgelt,
Denn er verweht sich selbst und mir die Welt.«
    Für Mozarts Don Juan ist die Begegnung mit dem Geist ein Zweikampf, in dem er ritterlich zugrunde geht, weil der andere stärker ist als er. Da es ein Geist aus der Überwelt ist, ist dieses Unterliegen keine Schande für den Ritter. Von den Menschen, die in der Oper auftreten, sind alle kleiner als er – die einzige Donna Anna vielleicht ausgenommen –, trotzdem Mozart diese Umgebung wohlweislich erhöht hat. Vor allem die Frauen. Donna Anna steht bei ihm in herber Jungfräulichkeit da; daran läßt der Text keinen Zweifel, obwohl es klarer hätte herausgearbeitet werden können. Daß sie dem Bräutigam ein nächtliches Stelldichein gewährt hatte, zeigt sie noch im Banne der allgemeinen Gesellschaft, wie sie hier dargestellt ist. Aber das furchtbare Erlebnis dieser Nacht, der Tod des Vaters, hat die ganze Größe ihrer Natur wachgerufen. Nicht als Furie, – als ernst-feierliche Rachegöttin, die ihr Recht verlangt, schreitet sie durch das bunte Geschehen. Auch Donna Elvira ist ein großes Weib. Es zeugt für Don Juan, daß er ihr eine so alles überdauernde Liebe einzuflößen vermochte. Ganz Leidenschaft, hat sie sich ihm hingegeben, und kennt nur die Liebe zu ihm. Der Zwang, den er über sie ausübt, ist so groß, daß sie trotz allem ihn liebt bis zum Untergang. Die Welt bietet ihr nichts mehr nach seinem Tode. Die kleine Zerline führt uns in die tiefere Sphäre des Lebens. Aber wie in der Liebesleidenschaft Elviras eine Seite der Urgewalt der Don Juan-Natur sich uns offenbart, so in Zerline die andere derbestrickenden Liebenswürdigkeit. Sie leistet sich ein so tolles Stück, wie es sonst auch in der gewagten Komödienliteratur kaum vorkommt, wenn sie vom Hochzeitsfeste weg dem ihr bis dahin Fremden in die Arme fällt. Trotzdem gelingt es ihr, nicht nur den betrogenen Bräutigam wiederzugewinnen, auch den andren erscheint sie mehr als Opfer einer unwiderstehlichen Gewalt, denn als verachtenswertes Geschöpf. Man muß sich nur ja hüten, hier irgendwie durch karikierende Darstellung wieder herabzuziehen, was Mozart so wunderbar erhöht hat. Und leider sind gerade unsere erbärmlichen deutschen Übersetzungen dazu nur zu sehr geeignet, wie ja überhaupt diese deutsche Fassung des Textes eine arge Vergröberung und Erniedrigung gegenüber dem italienischen Original bedeutet, ganz abgesehen von den zahlreichen Schiefheiten im Sinne, durch die das wunderbare Zusammengehen von Musik und Wort an hundert Stellen zunichte gemacht wird. Auch Masetto braucht kein Tölpel zu sein, sondern ein gerader, einfacher Bursch, der mit aller sonstigen Tüchtigkeit gegen einen Don Juan nicht aufkommen kann. Unfreiwillige Karikatur dieses Don Juan ist Leporello . Aber wohl verstanden, unfreiwillige. Wäre er nicht ein pfiffiger und anstelliger Bursche, könnte ihn Don Juan als Diener nicht brauchen. Aber er ist eben nicht mehr als das. Es fehlt ihm die Größe. Und jedesmal, wenn er das dem äußeren Benehmen seines Herrn Abgesehene selber im praktischen Leben betätigen will, fällt er herein. Nicht nur, weil ihm der Urdrang fehlt, sondern auch,

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