Mrs Murphy 04: Virus im Netz
Kerry.
»So geheim bestimmt nicht.« Harry schüttelte den Kopf.
»Sie würden staunen, was die Leute alles voreinander verbergen können«, entgegnete Cynthia.
»Das weiß ich wohl, aber manchmal muss man sich auf seinen Instinkt verlassen«, erwiderte Harry.
»Schön, und was sagt Ihnen Ihr Instinkt?«, forderte Cynthia sie heraus.
»Hogan war der Lösung auf der Spur, und das heißt, dass sie in der Bank zu finden ist.«
»Ich denke, Sie haben recht.«
Kerry stöhnte. »Ich sitze ganz schön in der Tinte, was?«
Cynthia sah sie durchdringend an.
26
Aufgrund bundesstaatlicher Vorschriften durfte die Bank am Montag nicht geschlossen bleiben. Wäre Hogan während der Geschäftszeit erschossen worden, hätte man ihn nach dem Buchstaben des Gesetzes tatsächlich dort liegen lassen müssen, und die Geschäfte wären weitergegangen, während der Sheriff seine Arbeit tat. Man hätte über die Leiche hinwegsteigen müssen. Dieses strikte Verbot des Schließens einer Bank war in den Dreißigerjahren erlassen worden, als die Banken ihre Türen verriegelten oder zusammenbrachen wie Kartenhäuser. Wie immer, wenn Gesetzgeber die Verbesserung eines Gesetzes ausbrüten, lassen sie dabei die Menschen außer Acht. Die Angestellten der Crozet National Bank arbeiteten mit Trauerflor um den linken Arm. Ein riesiger schwarzer Kranz hing am Ende der Eingangshalle, ein kleinerer an der Eingangstür. Draußen wehte die Flagge des Staates Virginia auf halbmast. Mary Thigpen, seit fünfundzwanzig Jahren die Erste Kassiererin, brach immer wieder in Tränen aus. Viele Augen waren rot gerändert.
Das ganze Gerede über Kerry machte Norman so wütend, dass er schrie: »Sie ist unschuldig, bis die Schuld erwiesen ist, also haltet den Mund!«
Rick Shaw hatte die obere Etage mit Beschlag belegt, sodass die Kontenabteilung sich zusammenquetschen musste, aber die Leute kamen zurecht. Von den Blutspritzern an der Wand in Hogans Büro wurde Norman schwummerig. Er war nicht der Einzige.
Nachdem Mim Sanburne bei Laura Freely abgelöst worden war, kam sie vorbei, um bekannt zu geben, dass der Trauergottesdienst am Donnerstag in der lutherischen Kirche von Crozet abgehalten werde. Die Familie werde Mittwochabend Kondolenzbesuche empfangen.
Gedämpfte Stille folgte auf Mims Verkündigung.
Drüben im Postamt bat Harry Blair, ihr zu helfen, während Miranda das Essen für Mittwochabend organisierte. Dudley Freely erwies sich infolge des Schocks als handlungsunfähig. Thea, die Ältere, war schon eher imstande, einige der Entscheidungen zu treffen, die das Geschehen ihr aufzwang. Was für ein Sarg, oder sollte es eine Einäscherung sein? Welcher Friedhof? Blumen oder Spenden für wohltätige Einrichtungen? Sie bewältigte diese Aufgaben, doch zwischendurch musste sie sich immer wieder hinsetzen. Sie hatte nicht gewusst, dass ein großer emotionaler Schlag körperlich erschöpfend ist. Mim und Miranda wussten es. Sie übernahmen das Kommando. Ottoline Gill und Aysha besorgten den Telefondienst. Laura lag kraftlos im Bett. Wenn sie zu Bewusstsein kam, schluchzte sie hemmungslos.
Rick und Cynthia versuchten, sie zu befragen, aber sie konnte nicht einmal eine milde Vernehmung durchstehen.
Rick zog Mim vor dem Postamt, wohin sie beide gefahren waren, um ihre Post abzuholen, beiseite. »Mrs Sanburne, Sie haben Hogan sein Leben lang gekannt. Können Sie sich vorstellen, dass er in einen Plan verwickelt war, um Leute zu betrügen und -«
Sie fiel ihm ins Wort. »Hogan Freely war der ehrenhafteste und edelmütigste Mensch, den ich je gekannt habe.«
»Nun nehmen Sie es mir doch nicht gleich übel, Mrs Sanburne. Ich habe zwei Morde am Hals. Ich muss unangenehme Fragen stellen. Es hätte doch sein können, dass er in den Diebstahl verwickelt war, und sein Partner oder seine Partner haben sich gegen ihn gewendet. So etwas ist nicht ungewöhnlich.«
»Entschuldigen Sie, aber Sie müssen mich verstehen. Hogan hat diese Stadt geliebt, und er hat die Arbeit in der Bank geliebt. Wenn Sie die Leute kennen würden, für die er sich eingesetzt hat, die Leute, denen er bei der Gründung ihres Geschäfts geholfen hat – also, er hat ihnen weit mehr bedeutet als nur Geld.«
»Das weiß ich. Er hat mir zu meiner Hypothek verholfen.« Rick hielt Mim die Tür auf, und beide traten ins Postamt.
Mrs Murphy, die auf dem kleinen Sims hockte, das die Schließfächer teilte, wartete darauf, dass Rick und Mim ihre Fächer aufschlossen.
Rick öffnete seins
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