Mutter bei die Fische
tiefempfundene Sehnsucht nach Gina in seine Stimme, ganz ohne Silberfaden zur Venus. Er dachte an ihre weiche Haut, die heute Nachmittag, als sie nach einem Bad in der eiskalten Nordsee auf seinem Bett gelegen hatten, nach Salzwasser gerochen hatte, an ihre Sommersprossen und ihre Grübchen, ihr kehliges Lachen und ach!
»Wenn der Sturmwind sein Lied singt, dann winkt mir der groÃen Freiheit Glück.«
Falk beendete selig die letzte Zeile und spürte, wie ihm ganz warm geworden war â vor Liebe und Zufriedenheit. Es schien den anderen ebenso zu gehen, denn nachdem der letzte Ton verklungen war, herrschte andächtiges Schweigen. Natürlich war Gernot der Erste, der es brach. Er klatschte aus dem Hintergrund erst ein Mal, dann ein zweites und schlieÃlich ein drittes Mal in die Hände. Dann trat er nach vorne und wirkte, als hätte er Tränen in den Augenwinkeln. Mit gebrochener Stimme beglückwünschte er den Chor zu seiner sensationellen Leistung, und obwohl er es nicht aussprach, lieà er keinen Zweifel daran, dass ebendiese Leistung ohne seine groÃartige Vorarbeit nicht möglich gewesen wäre.
Auch Jörn bedankte sich bei den Sängern, und damit war die Chorprobe beendet. Als Falk den Pfarrsaal verlassen wollte, kam er an Silke vorbei, die sich mit Monika vom Wollladen hingerissen darüber austauschte, was für ein toller Typ dieser Gernot sei.
»Er gibt auch Workshops«, raunte Monika Silke verschwörerisch zu.
Falk verkniff sich den Kommentar, dass ein Wochenendseminar bei Gernot Limpinsel vermutlich die Monatseinkünfte von Silke aufzehren würde, und wollte sich gerade an den beiden Damen vorbeidrücken, als Silke sich zu ihm umdrehte. Sie leuchtete förmlich von innen heraus und fragte Falk strahlend, ob er Thies gesehen hätte, der sei seltsamerweise verschwunden.
Falk schüttelte den Kopf und sah zu, dass er Land gewann.
»Komisch«, hörte er Silke sich noch wundern, dann war er schon zur Tür hinaus.
DrauÃen wartete Piet auf ihn, und gemeinsam gingen sie die paar Schritte zu Gino, dem Stammsizilianer der Inselbewohner. Gino hatte im vorderen Teil seines Lokals eine einfache Pizzeria für alle Touristen, die sich nach tonnenweisem Verzehr von Bismarckheringsbrötchen, Krabben und Kutterscholle auch mal nach etwas weniger Maritimem sehnten und obendrein nicht viel Geld ausgeben wollten. Im hinteren Bereich des Restaurants allerdings hatte Gino eine waschechte sizilianische Trattoria. Man setzte sich an den langen Holztisch, rückte an die anderen Gäste heran, dann wurden Karaffen mit Wein und Wasser auf den Tisch gestellt, und nach und nach servierte Elizabetta, Ginos Frau, was die Küche heute hergab. Es existierte für diesen Raum keine Speisekarte, man trank und aà das, was Gino zauberte. Mag ich nicht, gab es nicht, in dem seltenen Fall, dass jemand einen Gang partout auslassen wollte, gab er die Schüssel einfach weiter an seinen Nebenmann. Die Stimmung war fast immer ausgezeichnet, und wenn Jörn Krümmel genug getrunken hatte, stand er zu später Stunde auf und schmetterte italienische Opernarien.
Für solche Darbietungen war es heute noch zu früh, aber als Falk und Piet den Hinterraum im »Ginoâs« betraten, wurden sie überschwänglich von ihren Frauen empfangen. Für Falk war es immer noch etwas gewöhnungsbedürftig, dass sich seine Freundin und seine Mutter so überaus gut verstanden, denn jedes Mal wenn die beiden die Köpfe zusammensteckten und tuschelten, glaubte Falk, dass er das Thema ihres Gespräches war. Und er wollte lieber nicht darüber nachdenken, was seine Mutter Gina alles über ihn erzählen könnte. Und umgekehrt. Nun saÃen die beiden Frauen schon an dem langen Tisch, mit geröteten Wangen und vollen Gläsern. Gina saà eingeklemmt zwischen Silke auf der einen und Gernot auf der anderen Seite, Grit musste mit Thea und Monika als Nachbarinnen vorliebnehmen. Als Falk und Piet auftauchten, einigte man sich aber auf einen Platztausch. Silke Söderbaum war sichtlich erfreut, dass sie nun neben dem Kopfstimmen-Guru zu sitzen kam. Falk hoffte inständig, dass Thies heute Abend nicht mehr bei Gino aufkreuzen möge, denn sonst wäre eine Schlägerei unvermeidlich gewesen.
Gina nahm Falks Hand, als er sich neben sie setzte, und drückte ihm einen weichen, leicht nach Aceto Balsamico schmeckenden Kuss auf die
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