Nach Dem Sommer
fauchte Jack.
»Na gut. Wenn ich dich hinbringe, sagst du mir dann, wo Sam ist?«
»Von mir aus! Sag mir, wo ich hinfahren muss. Und wenn du lügst, bringe ich dich um, da kannst du dich drauf verlassen.«
Ich wies ihm den Weg zu Becks Haus und betete, dass er es überhaupt so weit schaffen würde. Dann fischte ich mein Handy aus dem Rucksack.
Wieder schlingerte der Bronco, als Jack seine Aufmerksamkeit auf mich richtete. »Was machst du da?« »Ich rufe Beck an. Er ist derjenige mit dem Impfstoff. Ich muss ihm Bescheid sagen, damit er den letzten Rest nicht jemand anderem gibt, bevor wir ankommen. In Ordnung?«
»Du lügst mich jetzt besser nicht an ...«
»Hier, diese Nummer wähle ich. Das ist nicht die Polizei.«
Becks Nummer fiel mir gleich ein, mit Zahlen konnte ich besser umgehen als mit Worten. Es klingelte. Geh ran. Geh ran. Lass das die richtige Entscheidung sein.
»Hallo?«
Ich erkannte seine Stimme. »Hi, Beck, hier ist Grace.«
»Grace? Entschuldige, deine Stimme kommt mir bekannt vor, aber ich -«
Ich redete einfach über ihn hinweg. »Hast du noch was von dem Zeug übrig? Von dem Heilmittel? Oh nein, sag bitte nicht, dass du schon alles verbraucht hast.«
Beck sagte nichts.
Ich tat so, als hätte er geantwortet. »Gott sei Dank. Also, Jack Culpeper hält mich hier im Auto fest. Er hat Sam irgendwo eingesperrt und sagt uns nur, wo, wenn er auch was von dem Impfstoff bekommt. Wir sind in ungefähr zehn Minuten da.«
»Verdammt«, sagte Beck sehr leise.
Aus irgendeinem Grund fing meine Brust an zu zittern; es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass es an dem Schluchzen lag, das dort feststeckte. »Ja. Also, bist du da?«
»Ja. Natürlich. Grace - bist du noch dran? Kann er mich hören?«
»Nein.«
»Versuch, ruhig zu wirken, ja? Zeig ihm nicht, dass du Angst hast. Sieh ihm nicht in die Augen, aber sei bestimmt. Wir warten im Haus auf euch. Bring ihn rein, ich kann nicht rauskommen, sonst verwandle ich mich und dann sind wir alle erledigt.« »Was erzählt der da?«, drängelte Jack.
»Er sagt, durch welche Tür du ins Haus kommen sollst, wenn wir da sind. Damit du so schnell wie möglich drin bist und dich nicht verwandelst. Wenn du ein Wolf bist, kann er dir den Impfstoff nicht verabreichen.«
»Gut gemacht«, lobte Beck.
Komischerweise fand ich Becks unerwartete Nettigkeit schwer zu ertragen - mir traten die Tränen in die Augen, etwas, was Jack mit seinen Drohungen nicht gelungen war.
»Gleich sind wir da.« Ich klappte das Handy zu und sah Jack an, nicht in die Augen, sondern eher daran vorbei auf seine Schläfe. »Fahr geradeaus die Einfahrt rauf, die Vordertür ist nicht abgeschlossen.«
»Woher weiß ich, dass ich dir vertrauen kann?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wie du gesagt hast, nur du weißt, wo Sam ist. Dir passiert schon nichts, wir wollen ja schließlich wissen, wo er ist.«
Kapitel 49 - Sam (4°C)
D ie Kälte legte sich auf meine Haut. Erdige Dunkelheit presste sich gegen meine Augen, so schwer, dass ich blinzelte, um meine Pupillen davon zu befreien. Danach sah ich ein mattweißes Rechteck vor mir - einen Türspalt. Ohne andere Formen zum Vergleichen konnte ich nicht abschätzen, ob die Tür zum Verzweifeln nahe oder zum Fürchten weit weg war. Gerüche drangen auf mich ein, staubig, organisch, chemisch. Mein Atem klang laut in meinen Ohren, ich schien in irgendeinem kleinen Raum eingesperrt zu sein. Einem Geräteschuppen? Einer Art Kellerverschlag?
Mist. Es war kalt. Nicht kalt genug, um mich zu verwandeln, noch nicht. Aber bald. Ich lag auf dem Boden - warum lag ich auf dem Boden? Schwankend erhob ich mich und biss mir auf die Lippe, fest, um nicht laut aufzustöhnen. Irgendetwas stimmte nicht mit meinem Knöchel. Ich versuchte es noch einmal, vorsichtig, wie ein neugeborenes Rehkitz, das zum ersten Mal aufsteht, und der Knöchel gab unter meinem Gewicht nach. Ich stürzte zur Seite, ruderte mit den Armen auf der Suche nach Halt und zerkratzte mir die Hände an einer Armee spitzer Folterinstrumente, die dort an der Wand hingen. Ich hatte keine Ahnung, was das alles war - kalt, metallisch, schmutzig.
Einen Augenblick lang kniete ich auf allen vieren, lauschte auf meinen eigenen Atem, spürte, wie das Blut mir aus den Handflä
chen quoll, und dachte daran, aufzugeben. Ich war es so leid zu kämpfen. Es war, als täte ich seit Wochen nichts anderes.
Schließlich richtete ich mich wieder auf und humpelte zur Tür, die Arme ausgestreckt, um meinen
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