Nachrichten aus Mittelerde
mit mehr Offenheit darüber gesprochen hättest.«
»Der König mag darüber einigen Kummer empfinden«, rief Aldarion, jetzt hitziger, »aber nicht diejenige, von der du sprichst! Wenigstens ihr gegenüber habe ich mich ausgiebig und häufig ausgesprochen: Ich predigte kaltsinnigen Ohren, die nicht begriffen. Genauso gut könnte ein unartiger Junge einem Kindermädchen vom Klettern in den Bäumen erzählen, das sich nur darum sorgt, dass er sich nicht die Kleider zerreißt und die festgesetzten Essenszeiten nicht versäumt! Ich liebe sie, sonst würde es mich weniger kümmern. Die Vergangenheit will ich in meinem Herzen bewahren; die Zukunft ist tot. Sie liebt weder mich noch irgendetwas sonst. Sie liebt sich selbst mit Númenor als Hintergrund und mich wie einen zahmen Hund, der neben dem Herd döst, bis es ihr gefällt, in ihren eigenen Feldern spazieren zu gehen. Doch weil ihr Hunde jetzt als zu unfein erscheinen, will sie Ancalime in einem Käfig singen lassen. Doch genug davon. Habe ich die Erlaubnis des Königs, abzureisen? Oder hat er einen Befehl?«
»Der König«, antwortete Tar-Meneldur, »hat viel über diese Dinge nachgedacht und in welchem Licht die langen Tage erscheinen, seit du zum letzten Mal in Armenelos warst. Er hat den Brief Gil-galads gelesen, dessen Ton ernst und bedenklich ist. Nun also! Auf des Königs Bitte und auf deine Wünsche muss der König mit
Nein
antworten. Er kann nicht anders, entsprechend seinem Verständnis der Gefahren, die beide Wege in sich bergen: sich entweder auf einen Krieg vorzubereiten, oder nicht.«
Aldarion zuckte die Achseln und tat einen Schritt, als wolle er gehen. Doch Meneldur streckte seine Hand Aufmerksamkeit erheischend aus und fuhr fort: »Gleichwohl besitzt der König, obwohl er das Land von Númenor nunmehr hundertzweiundvierzig Jahre regiert hat, keine Gewissheit, ob seine Auffassung der Dinge geeignet ist, um zu einer gerechten Entscheidung in Angelegenheiten von so großer Bedeutung und Gefahr zu kommen.« Er hielt inne, nahm ein Pergament zur Hand, das seine eigenen Schriftzüge trug, und las mit klarer Stimme davon ab:
»Folglich: zum Ersten zu Ehren seines geliebten Sohnes; und zum Zweiten zur besseren Führung des Reiches in Zeitläuften, die sein Sohn klarer durchschaut, hat der König beschlossen: dass er hiermit das Szepter seinem Sohn übergibt, der nun Tar-Aldarion, der König, werden soll.
Dies«, sagte Meneldur, »wird, wenn es verkündet wird, allen bekannt machen, wie ich über das denke, was gegenwärtig geschieht. Es wird dich dem Spott entrücken; und es wird deine Kräfte beflügeln, so dass andere Verluste sich vielleicht leichter ertragen lassen. Den Brief Gil-galads sollst du beantworten, wenn du König bist, wie es dem Inhaber des Szepters zukommt.«
Aldarion stand einen Augenblick vor Überraschung still. Er hatte sich gewappnet, um dem Zorn des Königs entgegenzutreten, den er willentlich zu entzünden gesucht hatte. Dann fiel er, wie jemand, der von einem plötzlichen Windstoß aus einer unerwarteten Richtung umgeweht wird, vor seinem Vater auf die Knie. Doch nach einer Weile hob er den gebeugten Kopf und lachte – wie er es immer tat, wenn er von einer sehr großzügigen Handlung hörte, denn daran erfreute sich sein Herz.
»Vater«, sagte er, »bitte den König, meine Überheblichkeit gegen ihn zu vergessen. Denn er ist ein großer König, und seine Bescheidenheit erhebt ihn weit über meinen Stolz. Ich bin besiegt:Ich unterwerfe mich gänzlich. Dass ein solcher König, der noch im Besitz von Kraft und Weisheit ist, sein Szepter abgibt, ist nicht zu glauben.«
»Und doch ist es so beschlossen«, sagte Meneldur. »Der Rat soll unverzüglich einberufen werden.«
Als der Rat zusammentrat, nachdem sieben Tage vergangen waren, machte Tar-Meneldur dessen Mitglieder mit seinem Beschluss bekannt und legte ihnen das Schriftstück vor. Darauf waren alle sehr erstaunt, denn sie kannten die Beweggründe noch nicht, von denen der König sprach. Und alle, außer Hallatan aus Hyarastorni, erhoben Einwände und baten ihn, seine Entscheidung aufzuschieben. Hallatan freilich hatte seinen Verwandten Aldarion seit langem hoch geschätzt, obgleich sein eigenes Leben und seine Neigungen gänzlich anders waren; und er hielt den Entschluss des Königs für großmütig und den Zeitpunkt, wenn es schon sein musste, für klug gewählt.
Aber denen, die dies oder das gegen seinen Entschluss vorbrachten, antwortete Meneldur: »Nicht ohne genaue
Weitere Kostenlose Bücher