Nachrichten aus Mittelerde
Gesellschaft wie die seine war Ancalime überhaupt nicht gewöhnt, und sie hatte Freude an seinem Gesang, in dem er sehr gewandt war; und er sang ihr Lieder aus weit zurückliegenden Tagen vor, als die Edain einst ihre Herden in Eriador weiden ließen, bevor sie jemals die Eldar trafen. Öfter und öfter trafen sie sich so auf den Weiden, und er veränderte die Lieder der Liebhaber von einst und fügte die Namen Emerwen und Mámandil in sie ein; und Ancalime gab vor, die Bedeutung der Worte nicht zu verstehen. Doch schließlich erklärte er ihr offen seine Liebe, und sie zog sich zurück, wies ihn ab und sagte, dass ihre Bestimmung zwischen ihnen stehe, denn sie sei die Erbin des Königs. Aber Mámandil geriet nicht aus der Fassung, lachte und sagte ihr, sein richtiger Name sei Hallacar und er sei der Sohn Hallatans von Hyarastorni aus der Linie Elros Tar-Minyaturs. »Und wie hätte ein Verehrer dich sonst ausfindig machen können?«, sagte er.
Darauf wurde Ancalime ärgerlich, weil er sie getäuscht und von Anfang an gewusst hatte, wer sie war, doch er erwiderte: »Das ist zum Teil wahr. Ich hatte wirklich den Plan, die Herrin zu treffen, deren Verhalten so merkwürdig war, dass meine Neugier geweckt wurde, mehr über sie zu erfahren. Doch dann liebte ich Emerwen, und jetzt kümmert es mich nicht, wer sie sein könnte. Glaube nicht, dass es mich nach deinem hohen Stand gelüstet, denn es wäre mir viel lieber, du wärest bloß Emerwen. Ich freue mich aber trotzdem darüber, dass auch ich aus der Linie von Elros stamme, denn wenn es anders wäre, könnten wir nicht heiraten, vermute ich.«
»Wir könnten«, sagte Ancalime, »wenn mir der Sinn nach einer solchen Bindung stünde. Ich könnte die Königinnenwürde niederlegen und wäre frei. Doch sollte ich dies tun, hätte ich die Freiheit, zu heiraten, wen ich will; und das würde Úner sein (was ›Keinmann‹ bedeutet), den ich allen anderen vorziehe.«
Gleichwohl war es Hallacar, den Ancalime am Ende heiratete. Aus einer Version geht hervor, dass die Hartnäckigkeit, mit der er seine Werbung trotz seiner Zurückweisung fortsetzte, und das Drängen des Rates, im Interesse der Ruhe im Land einen Ehemann zu nehmen, wenige Jahre nach ihrem ersten Treffen bei den Herden Emeriës zur Heirat führten. Doch an anderer Stelle heißt es, sie blieb so lange unverheiratet, dass ihr Vetter Soronto unter Berufung auf die Bestimmung des neuen Gesetzes sie aufforderte, auf das Erbe zu verzichten; und dass sie darauf Hallacar heiratete, um Soronto zu ärgern. Einer weiteren kurzen Notiz ist zu entnehmen, dass sie Hallacar heiratete, nachdem Aldarion die Bestimmung widerrufen hatte, um Sorontos Hoffnungen ein Ende zu machen, er könne König werden, falls Ancalime kinderlos starb.
Wie immer dies sein mag, die Geschichte ist insofern unmissverständlich, als Ancalime sich weder nach Liebe sehnte noch sich einen Sohn wünschte. Sie sagte: »Muss ich wie Königin Almarian werden und in ihn vernarrt sein?« Ihr Leben mit Hallacar war unglücklich, sie missgönnte ihm ihren Sohn Anárion, und seitdem gab es zwischen ihnen Streit. Sie versuchte, ihn sich zu unterwerfen, erhob den Anspruch, Eigentümerin seines Landes zu sein, und verbot ihm, dort zu wohnen, denn sie wollte nicht, wie sie sagte, einen Bauernknecht zum Gemahl haben. Aus dieser Zeit stammt die letzte Geschichte, die diese traurigen Geschehnisse beschreibt. Ancalime wollte nämlich keine ihrer Frauen heiraten lassen: obgleich schon die Furcht vor ihr die meisten davon abhielt, stammten sie doch aus dem umliegenden Land und hatten Liebhaber, die sie heiraten wollten. Doch Hallacar machte es ihnen insgeheim möglich zu heiraten; er verkündete, er wolle in seinem eigenen Haus ein letztes Fest geben, bevor er es verließ. Mit dem Hinweis, dass es das Haus seiner Sippe sei, dem man ein höfliches Lebewohl sagen müsse, lud er Ancalime dazu ein.
Ancalime kam, begleitet von all ihren Frauen, denn sie hatte es nicht gern, wenn Männer ihr aufwarteten. Sie fand das Haus erleuchtet und wie zu einem großen Fest hergerichtet, und die Männer,die zum Hause gehörten, waren mit Blumengewinden wie für ihre Hochzeiten geschmückt, und jeder hielt eine zweite Girlande für die Braut in der Hand. »Komm!«, sagte Hallacar. »Die Hochzeitsvorbereitungen sind getroffen und die Brautkammern bereit. Aber weil es nicht denkbar ist, die Königserbin zu bitten, mit einem Bauernknecht beisammen zu liegen, muss sie leider heute Nacht allein
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