Nacht
Adresse tippend.
Sie reibt sich die Nase, als hätte sie etwas gestochen. »Anscheinend ist das ein besonderer Ort, zu dem nur wenige Zugang haben.«
»Inwiefern besonders?«
»Ich glaube, dass sie dort ihre Riten abhalten, die echten.«
Ich schüttele den Kopf. »Die
echten?
«
»Bei den Partys experimentieren sie nur, spielen herum, aber da, an diesem Geheimort, treiben sie es wirklich wild, verstehst du?«
Ich nicke.
»Willst du dorthin gehen?«, fragt sie.
»Ich denke nicht.«
»Was wirst du tun?«
»Ich lasse sie verhaften. Aber dazu müsste ich wissen, wann sie alle zusammenkommen, damit die Polizei sie schnappen kann.«
»Ich weiß nur, dass sie sich nachts treffen.«
»Das genügt wohl fürs Erste.« Ich stehe auf.
»Viel Glück«, sagt Tea.
»Danke für deine Hilfe.«
Sie lächelt. »Ich hab’s für deine Freundin gemacht, nicht für dich.«
»Wenn es nicht für mich war, hätte ich da noch eine letzte Sache – ich möchte gern, dass du etwas tust.«
»Ich dachte, wir wären jetzt quitt.«
»Gib deinem Vater das Geld zurück. Er ist ein anständiger Kerl, der hart arbeitet. Er hat es nicht verdient, so behandelt zu werden, schon gar nicht von seiner Tochter.«
»Das Geld habe ich nicht mehr. Ich brauchte es, um meine Schulden bei ihnen zu bezahlen. Sie hätten mir keinen Aufschub mehr gegeben. Mit diesen Leuten ist nicht zu spaßen. Ich werde es meinem Vater erstatten, indem ich unbezahlt in seinem Laden arbeite.«
»Tu, was du für richtig hältst.«
Tea sieht mich ernst an.
»Tschüss, Gad«, rufe ich zur Theke hin. Dann gehe ich.
Draußen vor dem Frittenpalast sehe ich zu dem sich verfinsternden Himmel auf. Die Nacht senkt sich herab. Ich werde es vor dem Dunkelwerden nicht mehr zu Sarl schaffen, deshalb suche ich eine Telefonzelle mit einem Telefonbuch und schließe mich dort ein.
Ich wähle die Nummer des neunten Reviers und hoffe inständig, dass der Kommissar da ist, während ich dem Freizeichen lausche.
Zum Glück ist er in seinem Büro. Als die Telefonistin mich durchstellt, sorgt seine ruhige Stimme sofort dafür, dass ich mich besser fühle.
»Hallo, Alma. Wie schön, von dir zu hören.«
»Ich glaube, ich habe etwas für Sie«, stoße ich in einem Atemzug hervor.
»Ich höre.«
»Es geht um diesen Tito, Sie erinnern sich?«
»Natürlich.«
»Ich habe eine Adresse.«
Schweigen.
»Das könnte der Ort sein, an dem Tito und seine Sekte sich treffen. Wo sie ihre Riten abhalten, meine ich. Anscheinend versammeln sie sich nachts.«
»Wie hast du davon erfahren?«
»Es tut mir leid, aber das kann ich Ihnen nicht sagen.«
Ich buchstabiere ihm den Straßennamen und die Hausnummer.
»Werden Sie dorthin gehen?«, frage ich schließlich.
»Ich denke, wir werden auf jeden Fall eine Kontrolle durchführen.«
»Und dann?«
»Ideal wäre es, sie alle dort anzutreffen, auf frischer Tat zu ertappen und festzunehmen. Aber leider ist es nicht immer so einfach.«
»Fahren Sie sofort hin!« Ich merke, dass ich fast brülle.
»Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber du musst mir eines versprechen.«
»Was?«
»Halt dich von diesem Ort fern. Hörst du? Ich weiß, dass dir dieser Fall sehr am Herzen liegt, aber du hast schon mehr als genug getan. Du darfst dich nicht in Gefahr begeben, das würde ich mir nie verzeihen. Versprichst du mir das?«
Sarl ist ein kluger Mann und ein fähiger Kriminalist: Er schafft es, sich in andere hineinzuversetzen und deren Absichten zu erkennen.
»Ich verspreche es Ihnen.«
»Bis bald, also.«
»Bis bald.«
Ich lege den Hörer auf und gehe aus der Kabine.
Draußen ist es dunkel, schon wieder dieses ewige Dunkel.
Ich sollte schleunigst nach Hause fahren. Es wird eine lange Nacht werden, in der ich mich an der Vorstellung von Tito und seinen
exklusiven
Freunden hinter Gittern wärmen werde.
[home]
Kapitel 48
E in neuer Morgen, Gott sei Dank. Das Tageslicht tröstet mich, trotz heftiger Kopfschmerzen, die einfach nicht nachlassen und mich zwingen, zwei Schmerztabletten zu nehmen.
Im Bett ausgestreckt, lausche ich Jennas Stimme, ihrem üblichen täglichen Monolog mit Lina, der die verstreichende Zeit markiert. Jetzt badet sie Lina, dann wird sie ihr bei den Hausaufgaben helfen und schließlich das Mittagessen vorbereiten, in der Illusion, dass eine gute Mahlzeit ein wirksamer Klebstoff wäre, um die versprengten Teile ihrer Familie zusammenzuhalten.
Während ich an die weiße Decke starre, frage ich mich, ob Sarl schon in der
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