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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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protestieren. Mein düsterer Blick läßt sie jedoch verstummen. Mohand ist betrübt, aber er behält seinen Verdruß für sich.
    »Ich muß da hin«, erkläre ich ihnen. »Einer meiner Männer hat gerade Dresche bezogen. Es handelt sich um eine Operation, die ich ohne Zustimmung von oben eingeleitet habe. Das könnte schiefgehen.«
    Monique kommt hereingeschneit. Ihr Busen wippt aufgebracht unter ihrem Holzfällerhemd.
    »Du gehst schon wieder?«
    »Die Pflicht ruft.«
    »Kann nicht jemand für dich einspringen?«
    »Ich muß wirklich selbst an Ort und Stelle nach dem Rechten sehen, um zu verhindern, daß sich die Sache herumspricht. Ziemlich heikle Angelegenheit. Vor Ende der Halbzeit bin ich wieder da.«
     
    Der Krankenwagen ist bereits zur Stelle. Sein Blaulicht befeuert die Gasse mit grellen Spritzern. Es ist Nacht, und die einzige Straßenlaterne ringsum hat seit ewigen Zeiten den Geist aufgegeben. Zwei Polizeiwagen parken lässig auf dem Bürgersteig, während die Krankenträger die Gurte um den Verletzten festzurren. Inspektor Serdj schaut betreten vor sich hin.
    »Das ist dumm gelaufen«, teilt er mir mit.
    Ich beuge mich über die Krankentrage. Der Unglückliche liegt mit geöffneten Augen da, dennoch scheint er nicht zu begreifen, was vor sich geht. Man hat ihm eine Halskrause umgelegt und den Schädel wie mit einem Turban fest umwickelt.
    »Wer ist der Arzt?« frage ich.
    »Ich«, antwortet ein gelacktes Bürschchen und fummelt dabei an seinem Stethoskop herum.
    »Wie geht es ihm?«
    »Er muß geröntgt werden. Hat ganz schön einen abbekommen. Die Stauchung der Wirbelkörper wurde sicherlich durch die Heftigkeit des Schlags auf den Kopf ausgelöst. Er hat nicht viel Blut verloren, aber die Beule ist beträchtlich.«
    »Hat er etwas gesagt?«
    »Nein. Kann ich jetzt gehen, Kommissar? Je schneller er ins Krankenhaus gebracht wird, desto mehr Chancen hat er, sich wieder zu berappeln. Eine innere Blutung ist nicht auszuschließen.«
    »Danke, Doktor. Ich zähle auf Sie.«
    Mit aufheulender Alarmsirene rauscht der Krankenwagen davon.
    Ich drehe mich zu Serdj um. »Ich hatte dir doch gesagt, daß an jeder Ecke zwei Leute stehen sollen«, fange ich an, um ihm den Schwarzen Peter zuzuschieben.
    »Sie waren zu zweit.«
    Sein frostiger Ton dämpft meinen Groll. Ich ändere meine Strategie. »Wie ist es denn passiert ...«
    »Sie waren seit ungefähr vier Stunden auf Posten. Irgendwann ist einer Kaffee holen gegangen. Als er zurückkam, stand die Wagentür offen, und sein Kollege lag mit verrenktem Genick über dem Lenker zusammengesunken da.«
    »Ich war nicht lange weg«, schaltet sich der Davongekommene ein. »Vielleicht fünf, zehn Minuten. Das Cafe ist gleich da vorne an der Kreuzung. Als ich Mourad so entdeckte, habe ich die Dame aus dem Haus gegenüber gefragt, ob sie etwas bemerkt habe. Ich bin bis an die Ecke gelaufen - niemand. Ich habe nachgeprüft, ob irgendwas aus dem Auto gestohlen wurde. Sie haben nichts angerührt. Nicht einmal Mourads Knarre, die im Handschuhfach lag.«
    »In Ordnung«, beruhige ich ihn. »Wir räumen jetzt das Feld und reden morgen früh in meinem Büro weiter. Serdj, du gehst mit den anderen nach Hause. Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß diese Geschichte nie stattgefunden hat. Und wegen des Verletzten beauftragst du einen Angehörigen, daß er sich im Krankenhaus um ihn kümmern soll.«
    Serdj wartet ab, bis das erste Polizeiauto abgefahren ist, um mir dann zu gestehen: »Wenn die Zentrale jemals etwas davon erfährt, sind wir geliefert.«
    »Ich bin geliefert. Ich habe die Sache eingefädelt, und für gewöhnlich mache ich mich nicht aus dem Staub, wenn es Ärger gibt.«
    »Das wollte ich damit auch nicht sagen, Kommissar.«
    »Geh nach Hause, Serdj.«
    »Und was wollen Sie tun?«
    »Mich mit unserem Poltergeist unterhalten.«
    »Das ist keine besonders gute Idee. Nichts beweist, daß er es gewesen ist. Außerdem kann er Anzeige gegen uns erstatten, und dann weiß alle Welt Bescheid, was hier gelaufen ist. Nicht nur die Zentrale, Kommissar. Die Wilaya [ (arab.) Verwaltungsbezirk in Algerien], das Ministerium und . der Präsident. Meiner Meinung nach haben wir uns mit dieser Kiste lange genug abgegeben. Wir sollten die Finger davon lassen. Ich wußte von Anfang an, daß das ein böses Ende nehmen würde.«
    »Geh nach Hause, Serdj. Und versuch zu schlafen.«
    Der Inspektor begreift, daß nicht einmal ein Panzer mich zurückhalten könnte. Er schüttelt verstört den Kopf

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