Nachtblind
Del vorbei; er schleckte an einem Eis in der Waffeltüte. »Ich will mal rüber zu Marcy gehen. Kommst du mit?«
»Ja, sofort, ich zieh nur noch schnell den Mantel an.«
Unterwegs erzählte Lucas ihm von Catrin. Del hörte aufmerksam zu, schob in der abendlichen Kälte den Rest der Waffeltüte in den Mund, kaute genüsslich, sagte dann: »Wahrscheinlich will sie mit dir ins Bett hüpfen. Um sich selbst zu beweisen, dass sie noch begehrenswert und im Bett so gut wie in den alten Tagen ist.«
»Und was soll ich machen?«
»Nun, ich glaube nicht, dass das Betthüpfen die Antwort auf irgendeine Frage wäre.« Er sah Lucas freundlich an. »Oder doch?«
»Nein, du hast Recht. Ich meine … Mann, sie ist echt nett, aber sie ist beschissen drauf.«
»Dann führe mal ein verständnisvolles Gespräch mit ihr über diese Beschissenheit – vielleicht solltest du einen anderen Ausdruck wählen –, und mach ihr klar, dass sie nichts unternehmen soll, bis sie sich wieder gefangen hat.«
»Das dürfte nicht Catrins Vorstellungen entsprechen«, zweifelte Lucas.
»Wie kommt es nur, dass dir dauernd solche problembeladenen Frauen über den Weg laufen?«
»Ich weiß es auch nicht. Ist wahrscheinlich mein besonderes Talent.«
»Was du brauchst, ist ein Mädchen, das daherkommt und ganz einfach fragt: ›Willst du mal meine Harley sehen?‹ Und du stellst dann die Gegenfrage: ›Ist es eine Sportausführung?‹ Und sie antwortet: ›Sie ist das, was du gern hättest.‹«
»Ich habe mich oft gefragt, ob du überhaupt Fantasie hast«, sagte Lucas. »Die Frage ist damit beantwortet.«
»Na ja, wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich nach Hause gehen und mal lange Zeit über diese Catrin nachdenken. Vor allem, weil sie ja eine alte Freundin von dir ist.« Sie gingen einen halben Block weiter, dann fügte Del hinzu: »Eine gute Seite kann ich diesem Problem abgewinnen.«
»So? Welche?«
»Es ist deins und nicht meins.«
Marcy saß, von Kissen gestützt, im Bett; sie war wach, wirkte aber abwesend, und ihre Augen glänzten ein wenig zu hell. »Die Ärzte machen sich Sorgen, weil sie annehmen, dass sie eine leichte Lungenentzündung hat«, sagte Black. »Sie meinen, es wär’ nichts Ernstes … aber sie müssen natürlich was dagegen unternehmen.«
Lucas ging neben dem Bett in die Hocke, um auf gleicher Höhe mit ihr zu sein. »Wie fühlst du dich?«
»Ein bisschen warm.«
»Hast du noch Schmerzen?«
»Ja.«
»Verdammt!« Er richtete sich auf. »Sie müssen dir stärkere Schmerzmittel geben.«
»Das haben sie versucht, aber sie lähmen meine Gedanken. Lieber habe ich leichte Schmerzen … Was macht der Fall? Wie ich gehört habe, ist Rodriguez’ Name in die Öffentlichkeit gedrungen.«
Sie sprachen über Rodriguez, und Marcy blieb hellwach, aber sie sah, wie Lucas meinte, schlechter aus als am Tag zuvor. Sie machte den Eindruck einer Frau, die eine schwere Grippe hat. Sie plauderten noch eine Weile, dann sagte Lucas zu den anderen, er wolle sich eine Cola holen, und ging nach draußen. Im Flur eilte er zum Schwesternpult und fragte: »Ist Weather Karkinnen …?«
Die Schwester sah an ihm vorbei; Weather kam gerade im Flur auf sie zu. Er ging ihr entgegen und fragte: »Hast du von Marcy gehört? Von dieser Lungenentzündung?«
»Ja, ich bin auf dem Laufenden«, antwortete sie. »Es ist noch nicht besonders schlimm. Sie haben es im Griff.«
»Weather, das kann sich doch verschlimmern, oder?«
»Das weiß ich nicht, Lucas. Sie ist jung und in guter körperlicher Verfassung, sodass man nicht zwangsweise damit rechnen muss, und die Ärzte haben ja alles unter Kontrolle … Aber sie war schwer verletzt, und ihre Lunge hat einiges abgekriegt. Die Ärzte müssen einfach nur zusehen, die Sache im Griff zu behalten.«
»Sonst nichts?«
»Lucas, ich weiß es nicht, aber ihre Ärzte tun ganz bestimmt, was sie nur können.« Sie war jetzt ein wenig zornig. »Mehr kann ich nicht dazu sagen.«
»Okay.«
Sie standen verlegen beisammen, schwiegen, dann legte sie die Hand auf seinen Arm und sagte: »Ich habe diesen Rodriguez im TV gesehen. Da steckst du doch dahinter, oder? Du hast ihn aufgespürt?«
»Ja. Er ist der Täter. Das Problem ist nur, wie wir es ihm nachweisen können. Wir haben kaum etwas Konkretes gegen ihn in der Hand. Wir bauen also einen Indizienbeweis auf …«
Sie gingen weiter, und Lucas berichtete über den Fall. Sie hatten das auch schon getan, als sie noch zusammengelebt hatten – Probleme
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