Nachtflug Zur Hölle
nicht aufgehalten wurde.
»Sie überzeugen sich persönlich davon, daß der Kolonnenführer einen schriftlichen Befehl vorweisen kann, bevor auch nur eines seiner Fahrzeuge aufs Institutsgelände rollt«, wies er Kortyschkow an. »Gültig ist dieser Befehl nur mit General Gabowitschs Unterschrift. Gleichzeitig sorgen Sie dafür, daß eine Durchfahrt für General Gabowitsch freigehalten wird. Und verdoppeln Sie die Wachen um den Bomber herum, bis der Funkverkehr sich wieder normalisiert hat.«
Fisikus-Institut, Einfahrt Denerokin
13. April, 03.20 Uhr
Im Fernmeldenetz der GUS-Truppen summte es von Befehlen, Anfragen und allgemeiner Verwirrung. »Was zum Teufel ist draußen los?« fragte ein MSB-Korporal seinen Vorgesetzten.
»Angeblich sind Hubschrauber über der Stadt, aber niemand weiß, wo genau«, antwortete Sergeant Wladimir Michejew, der Wachhabende. »Erst sollten sie über dem Sportpalast sein, dann über dem Parlamentsgebäude, dann wieder über der Freihandelszone… Augenblick! Jetzt sollen vier Hubschrauber über der Freihandelszone sein, während ein großes Flugzeug über dem Parlamentsgebäude kreist. Wer soll sich da noch auskennen?«
»Müssen wir nicht wenigstens versuchen, eine Bestätigung für diese Meldungen zu bekommen?«
»Das haben wir schon getan. Wir sind aufgefordert worden, die Frequenz freizuhalten«, antwortete der Sergeant. »Nachdem bisher keine Flugzeuge südlich der Traky-Avenue gemeldet worden sind, brauchen wir keinen Alarm auszulösen.«
»Sind das GUS-Hubschrauber? Oder weißrussische? Und was haben sie über der Stadt zu suchen?« fragte der Korporal.
»Von denen erfahren wir nie etwas – warum sollten sie uns ausgerechnet heute informieren?« Michejew griff nach dem Telefonhörer, die Wache vom äußeren Tor meldete sich. »Was gibt’s? Verstärkung? Ja, Major Teresow hat von einem Konvoi gesprochen. Wie viele Fahrzeuge? Was soll das heißen, du weißt es nicht? Mindestens dreißig? Mit Flak und einem Panzer? Der Kolonnenführer ist ein Oberst? Oberst Mursuriew? Ja, Teresow hat das genehmigt – wahrscheinlich auf Befehl von Gabowitsch … Laßt sie durch, Simikow…
Nein, nein, ich brauche nicht mit ihm zu reden. Seinen Marschbefehl kann ich später hier prüfen. Am besten warnst du ihn gleich, daß wir seine Fahrzeuge einzeln kontrollieren müssen, was einige Zeit dauert… ja, das sollst du ihm sagen. Ende.«
Michejew legte auf. »Da scheint einiges im Gange zu sein. Das Hauptquartier schickt uns Verstärkung; einen Oberst Mursuriew mit einem Bataillon, das auf dem Reaktorgelände in Stellung gehen soll… Du kannst mir gleich mal Mursuriews Sicherheitsausweis raussuchen.«
Der Korporal trat an einen Stahlschrank, in dessen Schubfächern lange Reihen Plastikkärtchen mit kleinen Schwarzweißfotos steckten. Wer den Sicherheitsbereich Denerokin betreten wollte, mußte hier seinen Dienstausweis hinterlegen und erhielt statt dessen den für ihn bereitliegenden Sicherheitsausweis. Der Korporal zog die Ausweiskarte des Obersten heraus. »Diesen Mursuriew kenn’ ich überhaupt nicht. Was ist das wohl für ein Typ?«
»Ein richtiger Bürohengst, der wahrscheinlich als einziger nüchtern genug war, diesen Auftrag zu übernehmen, als der Anruf gekommen ist«, sagte Michejew. »Als erstes warnst du alle anderen, daß ein Oberst aus dem Hauptquartier hierher unterwegs ist. Dann rufst du Teresow an und meldest ihm das Eintreffen des Konvois. Ich versuche inzwischen, zusätzliche Leute für Personenkontrollen und die Durchsuchung der Fahrzeuge zu bekommen.«
Obwohl die Einfahrt Denerokin im Nordosten des Institutsgeländes nur von Ingenieuren und Technikern des Forschungsreaktors benutzt wurde, war sie durch wirkungsvolle Sicherheitsvorkehrungen gegen das Eindringen Unbefugter geschützt. Fahrzeuge, die den äußeren Kontrollposten passiert hatten, mußten ein Tor durchfahren und ohne Insassen auf einem großen Parkplatz abgestellt werden, wo sie gründlich durchsucht wurden. Erst danach öffnete sich das massive innere Tor, das die Zufahrt zum Reaktorgelände sicherte.
Kurze Zeit später hielt die Kolonnenspitze vor dem äußeren Tor.
Ein Offizier in grünem Kampfanzug und Stahlhelm mit MSB-Abzeichen stieg aus und ging mit vier weiteren Offizieren aufs Fußgängertor zu. Da er die Sterne eines Obersten trug, wurden die fünf Offiziere sofort eingelassen, aber das Haupttor blieb noch geschlossen.
Der Sergeant im Wachbunker stellte fest, daß der Offizier einen dicken
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