Nachtflug Zur Hölle
durchsiebt.
Palcikas’ Männer eröffneten das Feuer mit ihrem wirksamsten Panzerbekämpfungsmittel: Gewehrgranaten, die ihr AK-47 mit einem Spezialaufsatz verschießen konnte. Alle verfehlten jedoch ihr Ziel, oder die Schützen wurden durch MG-Feuer niedergemäht, bevor sie in Position waren.
»Her mit dem T-62!« verlangte Palcikas über Funk. »Gleich durch den Zaun!«
Seine Soldaten waren eben dabei, den veralteten Panzer von seinem Tieflader zu fahren. Der T-62 rasselte die Rampe hinunter, drehte ruckartig nach links, rollte vorwärts und zerriß den dreieinhalb Meter hohen Maschendraht wie ein Spinnennetz. Die Maschinenkanone des BTR-60 wurde geschwenkt und bedachte den Panzer mit einem Geschoßhagel, was den Litauern Gelegenheit gab, besser zu zielen und ihn mit einigen Gewehrgranaten zu treffen. Er spuckte zehn Schwarze Barette aus, kurz bevor der T-62 sein Feuer mit einer einzigen Sprenggranate eröffnete, die den leichten Schützenpanzer mit einem spektakulären Rückwärtsüberschlag von der Straße blies.
Die litauischen Soldaten, die auf Rache aus waren, machten kurzen Prozeß mit den Schwarzen Baretten, die vergeblich Deckung suchten.
Für Palcikas waren die Verluste bei diesem ersten Angriff – mindestens ein Dutzend Soldaten waren gefallen, viele weitere verwundet – ein schwerer Schock. Bisher war ihm ihr Auftrag verhältnismäßig einfach erschienen. Sie hatten in dieser Nacht zahlreiche Nachrichtenzentralen, Munitionslager, Flugplätze, Geräteparks und Kasernen besetzt, ohne größere Verluste hinnehmen zu müssen – aber nun wurde ihm plötzlich klar, daß noch viele seiner Männer fallen würden. Und wofür? Damit er persönliche Rachegelüste befriedigen konnte? Für irgendeinen unerreichbaren Traum? Welches Recht hatte er, Soldaten in den Tod zu schicken?
Aber seine Männer beantworteten diese Fragen. Trotz ihrer schockierenden ersten Verluste begannen sie laut zu jubeln, als über dem Wachbunker der Wytis, das Banner des Großfürsten von Litauen, gehißt wurde. Dafür kämpfen wir! sagte sich Palcikas. Litauen würde erst frei sein, wenn das Volk die Tyrannen abschüttelte, die seine Heimat besetzt hielten – wenn es die Kraft fand, seine Feinde abzuwehren. Und dazu wollte er beitragen. Gewiß, er wollte sich auch dafür rächen, daß die Russen sein Volk als Geiseln genommen und unzählige Litauer ermordet hatten. Aber das tat er, um die Zukunft seines Landes zu sichern.
»Alle mal herhören!« rief Palcikas seinen Offizieren zu. »Hier wird demnächst Alarm gegeben. Bataillon vier ist noch nicht in Position, aber wir können nicht länger warten. Laßt eure Leute abwehrbereit in Stellung gehen. Ich werde…“
Im nächsten Augenblick wurde er von seinem Funker unterbrochen. »Hubschrauber im Anflug, General!« meldete der Mann.
»Noch nicht identifiziert, aber eindeutig hierher unterwegs. Keine Aufklärer, sondern große Maschinen. Eintreffen in spätestens fünf Minuten.«
»Gut, die erste Kompanie fährt so schnell wie möglich zur Sicherheitszentrale weiter«, befahl Palcikas. »Die Züge der zweiten Kompa-305
nie sichern den Reaktor im Osten, Norden und Westen. Die dritte Kompanie richtet sich hier zur Verteidigung ein – erst mit Fla-Waffen, danach zur Panzerabwehr. Los, los, Ausführung!«
In einem niedrigen Kriechgang unter dem Dach eines leerstehenden Güterschuppens in der Darius-Avenue gegenüber dem Nordosttor des Fisikus-Komplexes lagen zwei Männer in gewöhnlichen blauen Arbeitsanzügen.
Aber sie waren keine Arbeiter.
»Scheiße, dort unten benutzt wenigstens ein halbes Bataillon die Einfahrt zum Denerokin«, sagte Sergeant Charles Beaker. Er beobachtete das Tor durch ein StarLight-Nachtsichtgerät und machte sich dabei eifrig Notizen.
»Ich brauche genaue Zahlen und eine Identifizierung, Beak – nicht deinen verdammten Kommentar«, wehrte Master Sergeant Ed Gladden ab. Mit seinem Partner gehörte er zu einem A-Team der U.S.
Army Special Forces Group, das in Litauen, Lettland, Rußland und Weißrußland im Einsatz war, um militärisch wichtige Einrichtungen zu beobachten. Wie fast eine Hundertschaft ihrer Kameraden hielten sie es schon lange in diesem Versteck aus und meldeten ihre Beobachtungen über Satellitenfunk dem Special Operations Command in Deutschland.
Zur Vorbereitung des Unternehmens im Fisikus-Institut und der Verstärkung der Botschaftswache waren mehrere A-Teams aus Spezialisten, die selbstverständlich alle fließend Litauisch und
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