Nachtflug Zur Hölle
Russisch sprachen, nach Wilna entsandt worden, um Informationen über Stärke und Verteilung der dort stationierten russischen Truppen zu sammeln. Gladden war eben dabei, eine weitere Meldung über die Lastwagen mit Soldaten vor der Einfahrt Denerokin abzusetzen.
»Was hast du?«
»Vierunddreißig Fahrzeuge, Sarge«, antwortete Beaker, »Ein Befehlswagen mit dem Kolonnenführer, ein Zweitonner, der ein Funkwagen sein könnte, drei Kettenfahrzeuge, die … Scheiße, die sehen wie Zeus aus!«
»Red keinen Unsinn, Beak.«
»So sehen sie aber aus, Sarge – wie Fla-Panzer ZSU-23-4. Und hinter ihnen fährt ein Zehntonner, der ihr Munitionswagen sein könnte.«
Gladden wurde allmählich nervös. Beaker war leicht erregbar, aber auf seine Beobachtungen konnte man sich immer verlassen. Der ZSU-23-4, Spitzname Zeus, war ein russischer Fla-Panzer mit einem 23-mm-Vierling im Turm, der mit Radar oder Wärmesensoren gerichtet wurde und in drei Kilometer Umkreis jedes Flugzeug unter 12 000 Fuß Flughöhe abschießen konnte. Der Zeus gehörte zur Standardbewaffnung aller GUS-Infanteriebataillone. Aber wie konnte der MSB – ein hauptsächlich aus ehemaligen KGB-Leuten und Truppen des sowjetischen Innenministeriums bestehender Sicherungsverband – plötzlich über solche Waffen verfügen?
Beaker beschrieb weiter, was er sah: »Vier Zehntonner, anscheinend Munitionsfahrzeuge, neunzehn Fünftonner mit Soldaten, mehrere Tankwagen – teils für Wasser, teils für Sprit –, ein Tieflader mit einer Planierraupe und ein weiterer mit einem Panzer T-62. Alle sind als MSB-Fahrzeuge gekennzeichnet.«
Gladden verschlüsselte seine Angaben so schnell wie möglich.
Beaker konnte ihm dabei nicht helfen, da er weiter die Einfahrt beobachten mußte. Als GUS-Organisation hatte der MSB die Nachfolge der Truppen des sowjetischen Innenministeriums, des KGBs und des Militärgeheimdiensts GRU angetreten. Wegen seiner wenig rühmlichen Vergangenheit waren seine Aktivitäten – vor allem in Litauen – stark beschnitten worden. Und jetzt rückte dieser MSB-Verband mit schweren Waffen an?
»Ein Panzer, drei Fla-Panzer und reichlich Truppen? Klingt wie ‘ne Invasionsstreitmacht«, knurrte Gladden.
»Nein, die Invasion sind wir«., widersprach Beaker. »Anscheinend haben die Russen von unserem Unternehmen erfahren. Das sind genau die Waffen, die ich einsetzen würde, um ein Marine Expeditionary Unit abzuwehren.«
Damit hatte Beaker natürlich recht, aber Gladdens Zweifel waren noch nicht beseitigt. »Die anderen Teams haben gemeldet, daß dieser Konvoi aus Kasernen im Süden und Nordosten, nicht aus der Stadtmitte gekommen ist«, stellte er fest. »Wäre wirklich Alarm ausgelöst worden, hätten wir eine Meldung unseres Teams in der Stadtmitte bekommen müssen, nicht?«
»Kann ich mir auch nicht erklären«, gab Beaker zu. »Vielleicht halten sie das zentrale Korps für einen anderen Einsatz in Reserve.«
»Hier ist nichts wichtiger als das Fisikus!« sagte Gladden nach-307
drücklich. »Der MSB hatte Befehl, es ohne Rücksicht auf Verluste zu schützen. Was wird hier gespielt?«
»Kleine Organisationsmängel, mehr nicht«, behauptete Beaker.
»Trotzdem rücken sie hier mit schweren Waffen an – und das verdammt schnell. Wir… verdammt noch mal!«
»Was gibt’s?«
»Von den Lastwagen springen Soldaten… schwer zu zählen…
zehn Mann, vielleicht ein Dutzend – aber sie zielen auf das Sperrgelände!«
Gladden widerstand der Versuchung, Beaker beiseite zu schieben, um selbst einen Blick durchs Nachtsichtgerät zu werfen. Beaker war daran ausgebildet, und ein Wechsel hätte kostbare Zeit vergeudet.
»Sind die Marines schon über dem Gelände?«
»Nein, von denen ist noch nichts zu sehen«, sagte Beaker. »Sie …
verdammt, jetzt wird geschossen! Sie zerschießen die Überwachungskameras!«
Gladden tippte sofort ein Pausezeichen ein, fügte das Codezeichen hinzu, das wichtige weitere Meldungen ankündigte, und sendete den schon verschlüsselten Text. »Wie geht’s weiter, Beak?«
»Am Wachbunker passiert irgendwas … Ich kann’s kaum erkennen, aber… ich sehe Lichtblitze am Tor. Das könnte ein Feuergefecht sein … vielleicht kleine Sprengladungen … das Tor geht auf!
Das äußere Tor ist offen… das innere ebenfalls. Die Lastwagen fahren durch.«
»Das verstößt gegen die Wachvorschrift«, stellte Gladden fest.
»Bisher sind noch nie beide Tore gleichzeitig offen gewesen.«
»Soldaten rennen durch das Tor zum
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