Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
soll ich dem König erzählen, dass Ihr Schottland vorziehen würdet? Yorks Gesicht verfinsterte sich, und auf einmal bekam Lucy Angst um Henry, wenngleich dieser selbst verrückt genug war, keine Angst zu haben.
»Ich bin dem König ein loyaler Freund und Untertan, das bin ich immer gewesen«, sagte Henry. »Aber Lucy …«
» Lucy kennt ihren Platz, ganz im Gegensatz zu Euch.«
Lucy entwand sich Henrys Griff und wich zurück. »Und mein Platz ist nicht an Eurer Seite, Mylord. Das war er nie, dessen war ich mir stets bewusst, auch wenn Ihr es vergessen habt. Habt Dank, Euer Hoheit. – Mit Eurer gütigen Erlaubnis.«
Noch einmal machte Lucy einen Knicks und lief hinaus, rannte die Zinnen entlang zur nächsten Treppe, als würde Henry sie verfolgen. Aber natürlich tat er das nicht. Konnte es nicht.
Erst als sie die Abgeschiedenheit des Klosetthäuschens erreicht hatte, erlaubte sie sich zu weinen, und erst, als ihre Tränen versiegt waren, schlüpfte sie zurück in Lady Eleanors Zimmer. Dort saß sie in der Dunkelheit, verborgen, und als Eleanor sie am nächsten Morgen wieder hinausscheuchte, war Henry Percy verschwunden – verabschiedet, um dem König als Baron von Alnwick zu huldigen und eines Tages, in nicht allzu weiter Ferne, wieder zum Earl von Northumberland ernannt zu werden.
Und sie war noch immer ein Bastard, mit ungebrochener Jungfräulichkeit – aber mit gebrochenem Herzen.
Am vierten Tag bekam Eleanor tatsächlich Kopfschmerzen, vor Beklommenheit, Traurigkeit und der düsteren Stimmung, die die kürzer werdenden Tage mit sich brachten. Treusorgender Ehemann, der er nun war, sah Richard jeden Abend nach ihr, wobei er jedes Mal auf der Türschwelle stehen blieb, um sie nicht mehr als nötig zu stören. Mit jedem Tag machte er sich größere Sorgen, bis er sich schließlich auf ihre Bettkante setzte.
»Ich würde dir so gern helfen, wenn du mich nur ließest«, sagte er. »Sag mir einfach, wie.«
Endlich. »Bring mich nach Hause, Richard. Ich will nach Hause.«
»Nach Raby?«
»Nein. Das ist nicht mehr mein Zuhause. Ich will zurück nach Burwash. Ich halte es hier nicht länger aus. Der Herbst ist so rauh, die Halle so rauchig. Ich kann nicht den ganzen Winter hier verbringen. Deine Verpflichtung der Krone gegenüber ist für dieses Jahr längst erfüllt. Bitte York, dich zu entlassen, damit du mich nach Sussex bringen kannst, bevor das Wetter sich ändert. Bitte!«
Einen Moment lang saß Richard da und kaute auf seiner Unterlippe, während er sich ihre Bitte durch den Kopf gehen ließ. »Eleanor, bist du in anderen Umständen?«
»Wie kommst du darauf?«
»Der Kastellan sagte, das könnte der Grund für deinen Stimmungswandel sein. Seine Frau wird jedes Mal krank und unruhig, wenn sie ein Kind erwartet.« Er nahm ihre Hand. »Ist es so?«
Die Antwort lag ihr bereits auf der Zunge, als sie erkannte, dass er ihr mit seiner Frage den Schlüssel gereicht hatte. Und sie war bereit, danach zu greifen. »Ich weiß nicht. Möglicherweise.«
Seine Miene hellte sich auf, er strahlte vor Freude. Als sie den Kopf hob und ihn ansah, stiegen ihr Tränen in die Augen, wie aus dem Nichts, denn es tat ihr leid, was sie ihm antat, und darüber hinaus wuchs ihre Sorge um Gunnar. »Bring mich einfach nach Hause. Ich möchte nach Hause.«
»Aber natürlich, Liebste.« Er nahm sie in die Arme und hielt sie umschlungen, während sie schluchzte. Von all den Tränen, die sie vergossen hatte, seit sie seine Frau war, waren dies die ersten, die Richard zu sehen bekam.
Er kam bewundernswert gut damit zurecht, strich ihr über das Haar, so sanft wie eine Frau es sich von ihrem Ehemann nur wünschen konnte, und daraufhin weinte sie nur umso mehr.
»Verzeih mir«, brachte sie mühsam hervor und schluchzte weiter. »Ich kann einfach nicht aufhören.«
» Sch. Sch. Ob du nun ein Kind erwartest oder nicht, wir müssen dich auf jeden Fall nach Hause bringen. Ich werde gleich morgen früh mit York sprechen.«
York reagierte widerstrebend, aber die Herzogin setzte sich für Eleanor ein, und so machten sie sich auf die Heimreise, sobald das Gepäck verladen und eine Eskorte aufgestellt werden konnte. So gern sie auch ihre Mutter besucht hätte, überzeugte Eleanor doch Richard davon, auf der Hauptstraße zu bleiben und nicht den Abzweig nach Raby zu nehmen, um dort haltzumachen. Sie schwieg, bis sie York erreicht hatten, sie weit genug sowohl von Lesbury als auch von dem Tal entfernt waren, von dem Gunnar ihr
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