Nachtsafari (German Edition)
weiter auf und verschwand mit seinen Kumpanen im Haus. Es polterte, als würde jemand kegeln, dann zersplitterte Glas, und ein grauer Schatten kam krei schend aus dem Fenster geschossen.
»Oje, die schlagen ja alles kurz und klein«, schrie Silke auf. »Wir müssen etwas unternehmen!«
Bevor sie losrennen konnte, hielt Marcus sie fest. »Wie denn? Wir kommen ja gar nicht ins Haus, die Öffnung ist viel zu klein. Da bleiben wir wie der Korken in der Flasche stecken.«
»Hier gibt’s doch keine Schlüssel.«
»Wir können nicht einfach ein fremdes Haus betreten, das wäre wie ein Einbruch. Außerdem ist eine Horde Affen nicht ungefährlich. Warte, da drüben sind zwei Angestellte. Die sollen sich darum kümmern.«
Er lief zu zwei gewichtigen schwarzen Frauen, die, mit Eimer und Wischmopp beladen, schwatzend vorbeischlenderten. Eindringlich redete er auf die Frauen ein, deutete dabei nachdrücklich auf den Nachbarbungalow, wo gerade ein Affe aus dem Fenster stieg und am Verschluss einer Plastikflasche mit rotem Saft knabberte. Als er nicht weiterkam, schlug er sie mehrfach auf den Boden und schnatterte aufgebracht.
Die beiden Zuludamen schauten interessiert dem Spektakel zu, klickten etwas auf Zulu und lachten herzlich. Marcus gestikulierte, die Frauen lachten lauter, schüttelten ausdrucksvoll den Kopf, klaubten ihr Arbeitsgerät auf und setzten ihren Weg unbeeindruckt fort.
Marcus kehrte zu Silke zurück. »Sie sagen, sie können nichts machen, das Haus reinigt jemand anderes, und da es hier außerdem massenweise Affen gibt, passiert so was eben, wenn die Leute ihre Fenster nicht ordentlich verschließen«, berichtete er, zuckte vielsagend mit den Schultern und wollte offenbar etwas hinzufügen, aber Silke kam ihm zuvor.
»Wage ja nicht zu sagen, das ist Afrika«, fauchte sie. »Das hängt mir zum Hals raus. Wenn ich das noch einmal höre, schrei ich.«
Marcus kapitulierte mit erhobenen Händen. »Okay, okay, ich hab’s verstanden. Aber so ist es eben.« Er wandte sich ab und ging wortlos bis zum Rand des Hügelabhangs.
Silke gesellte sich zu ihm, behielt aber das gesamte Plateau im Blick, immer sprungbereit, falls Gefahr drohte.
»Herrlich hier«, murmelte er. »Was hältst du davon, wenn wir zum Abschied noch einmal in den Busch fahren? Du hast selbst gesagt, dass man so eine Reise nur einmal im Leben macht.«
Silke biss sich schweigend auf die Lippen, wusste nicht, wie sie ihm klarmachen konnte, dass es nicht nur wegen der Löwen und Elefanten war, dass sie das Camp so schnell wie möglich verlassen wollte, sondern auch wegen ihrer Sorge um ihn.
»Wir haben noch knapp zwei Stunden, bis es dunkel und das Camp geschlossen wird«, fuhr er fort, ehe sie antworten konnte. »Vergiss nicht, wir werden so etwas wohl nie wieder sehen, und ich schwöre dir, wenn ich wegen der Mine alles geklärt habe, fahren wir für ein paar Tage ans Meer. In das schönste Hotel, das es gibt. Und heute Abend reden wir über alles.«
Er machte Anstalten, sie in seine Arme zu ziehen, aber sie wich ihm aus und ging ins Haus. Doch dort war die Luft stickig, und eine Klimaanlage gab es nicht. Sie flüchtete sich wieder auf die Terrasse, warf sich auf einen der hölzernen Sessel und sah brütend zu, wie die Meerkatzen nebenan mit Bierflaschen, Kissen und einzelnen Schuhen ins Freie kletterten. Ein junger Affe schwenkte eine Schminktasche, aus der er mit einiger Mühe einen Lippenstift hervorpulte, den Verschluss auffummelte und nach eingehender Untersuchung den Stift auffraß, wobei sich seine Lippen scharlachrot färbten. Er sah wie ein winziger, grinsender Clown aus. Der Anblick entlockte Silke gegen ihren Willen dann doch ein Schmunzeln.
Die Affenhorde trollte sich bald, jedes Mitglied hielt seine Beute fest an sich gepresst. Stille senkte sich über das Plateau. Die Bewohner der übrigen Häuser waren offenbar ins Gelände gefahren, denn nirgendwo parkte ein Auto vor der Tür. Außer einem Schwarm Perlhühner, der zwischen den trockenen Grashalmen nach Körnern pickte, war kein Lebewesen zu sehen.
Silkes Blick verschwamm, und das blaue Federkleid der herrlich gezeichneten Hühnervögel wurde zu bunt schillernden Farbflecken, während sich zum wiederholten Mal ihre Gedanken in einer endlosen Schleife in ihrem Kopf drehten.
Momentaufnahmen tauchten vor ihr auf. Marcus’ totenblasses Gesicht im Auto nach der Party bei den Haslingers, sein Gebaren an der Passkontrolle, was sie im Nachhinein nur als Panik interpretieren konnte,
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