Nackt in der Zwangsjacke
protestierte ich.
»Na ja«, meinte sie nachgiebig,
»wenigstens ein paar Stunden .«
5
»Es ist wohl noch zu früh für
einen Schluck Whisky ?« erkundigte sich Marian
hoffnungsvoll.
Ich sah auf meine Armbanduhr.
»Zehn vor elf.«
»Vielleicht kommt er gar nicht ?« Sie wandte sich vom Fenster ab und sah mich an. »Gott,
bin ich froh, daß du da bist, Rick. Ohne dich wäre ich jetzt wahrscheinlich so
nervös, daß mich die Türklingel durchs Dach jagen würde .«
Ich fühlte mich entspannt und
völlig zufrieden. Eine Nacht mit Marian, überlegte ich vergnügt, war besser als
drei Monate in jedem Durchschnittsharem. Ich wußte, mich konnte jetzt gar
nichts mehr nervös machen. Und wenn fünf Dale Forests mit Kanonen in der Hand hereingeplatzt wären — ich hätte nur freundlich
gegrinst und Marian gebeten, uns Kaffee zu kochen. Zwar mußte ich zugeben, daß
es nicht einfach gewesen war, rechtzeitig aus dem Bett zu klettern, um
pünktlich bei ihr zu Hause einzutreffen, aber mir blieb ja immer die Erinnerung
an diese fabelhafte Nacht und die Hoffnung auf eine ganze Reihe noch
fabelhafterer Nächte.
»Was ist er für ein Mensch ?« erkundigte ich mich. »Ich meine Chuck Adams.«
»Ein bißchen so wie du«, sagte
sie. »Etwa die gleiche Größe, aber nicht so gut im Bett.«
»Danke für die Blumen. Aber eine
konkrete Beschreibung ist das nicht .«
»Sehr blond«, berichtete sie.
»Kurzes Haar, fast ein Bürstenschnitt. Das Gesicht ist ziemlich
durchschnittlich, mit Sommersprossen. Ein Sportstyp. Wahrscheinlich hat er
deshalb auch nicht so viel Phantasie im Bett. Bei den Sportstypen ist das immer
so. Eine Menge Energie und Begeisterung, aber keine Phantasie.«
»Du solltest Bücher darüber
schreiben«, brummte ich.
»Vielleicht tue ich das auch
eines Tages, aber dann mußt du auf den Schutzumschlag .« Ihre vollen Lippen lächelten breit. »Oder reicht auch eine Nahaufnahme der
entscheidenden paar Zentimeter mit dem eintätowierten Buchtitel darauf ?«
»Sie haben eine schmutzige
Phantasie, Marian Byrnes«, stellte ich fest.
»Und eine wunde Bumsdings
dazu«, sagte sie. »Aber ich schätze, das gehört beides zusammen .«
Die Türklingel schlug an, und
Marian fuhr hoch. »O Gott«, sagte sie leise. »Und was, wenn er das gar nicht
ist ?«
»Bitte ihn herein, egal, wer
draußen steht«, sagte ich. »Du bist doch nicht von der ungastlichen Sorte .«
»Mit dir als meinem Beschützer
brauche ich mir keine Sorgen zu machen — dachte ich«, sagte sie gepreßt. »Aber
so, wie du da herumliegst, mit diesem blöden Grinsen im Gesicht, kannst du ja
keiner Fliege was zuleide tun .«
»Willst du, daß der da draußen
alt und grau wird und auf deiner Schwelle stirbt ?« erkundigte ich mich friedlich.
Sie ging in die winzige Diele
hinaus, und ich hörte, wie sie die Haustür öffnete. Eine kurze Unterhaltung, zu
leise für meine Ohren, und dann kam sie zurück. Ihre graugrünen Augen
versuchten verzweifelt, mir irgendeine Botschaft zu signalisieren, aber mein
Dechiffrierapparat funktionierte in diesem Augenblick nicht besonders gut.
Dicht hinter ihr kam ein Kerl, dem ein höfliches Lächeln auf dem Gesicht
gefroren war. Größe etwas unter Durchschnitt, folgerte ich schlau, weil sein
Gesicht nur knapp über Marians Schulter ragte. Die Augen erinnerten mich an
kleine schwarze Knöpfe, die jemand in die beiden Löcher im gelblich-weißen Talg
gedrückt hatte, dicht neben der Hakennase. Das Haar war dick, schwarz und
ungekämmt. Ein Blick in dieses Gesicht, dachte ich
mir, und jede alte Dame mußte ihre Röcke raffen und davonrennen.
»Mein Name ist Carl«, sagte er
mit leiser, kultivierter Stimme, »und ich bin sehr nervös. So nervös, daß das
Messer in meiner rechten Hand diese Dame dauernd kitzelt. Ich wäre Ihnen sehr
verbunden, wenn Sie mich nicht erschrecken würden .«
»Ich denke nicht im Traum
daran«, versicherte ich ihm.
»Sie sind aber für Ihre
Gewalttätigkeit bekannt, Mr. Holman«, fuhr er fort. »Und Gewalt zeugt Gewalt,
ist es nicht so ?«
»Wie man so hört«, nickte ich.
»Ich nehme die Frau da mit«,
kündigte er an. »Chuck möchte sie sprechen, aber allein — kapiert? Sie wären
dabei äußerst unwillkommen. Draußen wartet ein Auto mit Fahrer...«
»Otto ?« erkundigte ich mich. »Oder Cassie?«
»Jedenfalls ein Freund.« Die
Knopfaugen blinkten kurz. »Folgen Sie uns lieber nicht, Mr. Holman, denn das
würde sich auf die Dame hier sehr schmerzhaft auswirken .«
»Und
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