Nackt in der Zwangsjacke
sinnierte
ich. »Oder haben Sie vor, die Sache selber zu erledigen ?« Ich wartete ein paar Sekunden lang, bis sein Zeigefinger über einem Rufknopf schwebte,
dann fuhr ich fort: »Okay, ich gehe. Aber vielleicht komme ich zurück .«
»Ich kann es kaum erwarten«,
sagte er kurz angebunden. »Adieu, Mr. Holman.«
»Leben Sie wohl, Dr. Merrill«,
antwortete ich höflich. »Es müßte eigentlich Spaß machen, gelegentlich mal
Ihren Untersuchungsbericht über Amanda Waring zu lesen .«
»Die Wärter hier sollten Sie
eigentlich schaffen«, meinte er nachdenklich und griff wieder nach dem
Rufknopf.
Also verließ ich sein Büro und
ging durch den leeren Korridor zur keimfreien Empfangshalle, wo die gähnende
Rosablonde weit und breit das einzige lebende Wesen war. Sie starrte an mir
vorbei ins Leere, als ich ihr Pult erreichte.
»Sie sind ein so hinreißend
schönes Wesen«, sagte ich ihr ins Ohr, »daß ein überwältigendes Begehren in mir
aufsteigt, Ihnen den Kittel vom Leib zu reißen und Sie sofort hier auf dem
Schreibtisch zu vergewaltigen. Was sagen Sie dazu ?«
»Es wäre mal eine Abwechslung«,
gab sie zu. »Wahrscheinlich könnte ich Dr. Merrill auch erzählen, das Ganze sei
bloß eine Art Therapie, wenn er mittendrin hereinplatzte .«
»Wie wär’s denn, wenn Sie heute abend mit mir essen würden ?« schlug ich vor. »Kein Gedeck- und Kleiderzwang?«
»Während Sie mir Fangfragen ins
süße kleine Ohr flüstern ?« Sie grinste zynisch. »Nein,
danke, Mr. Holman. Dem Doktor wäre das gar nicht recht .«
»Der Doktor weiß, was er mich
kann«, sagte ich.
»Es ist zwar langweilig hier«,
meinte sie, »aber man wird nicht schlecht bezahlt, und ich sitze nicht bis zum
Hals in Bettpfannen. Man könnte also durchaus behaupten, daß mir die Stellung
hier zusagt, Mr. Holman .«
»Das nehme ich Ihnen sogar ab«,
nickte ich. »Wenn Sie mich also schon mit dem Abendessen abblitzen lassen, wie
wär’s dann mit einer kurzen Führung durch die Klinik ?«
»Nur nach Vereinbarung — mit
dem Chef«, sagte sie liebenswürdig.
»Wovor hat ein großes, starkes,
hinreißend schönes Mädchen wie Sie nur solche Angst ?« überlegte ich.
»Wissen Sie was, Mr. Holman?
Mir drängt sich der Verdacht auf, daß Sie es nicht nur auf meinen schönen
weißen Körper abgesehen haben .«
»Da haben Sie nur zur Hälfte
recht«, sagte ich und begab mich zu meinem Auto.
Ich fuhr bergab und wieder nach
Los Angeles zurück; gegen sieben Uhr traf ich zu Hause ein. Es war ein warmer,
geruhsamer Abend, aber meine Stimmung wollte nicht recht dazu passen. Mit einem
Glas in der Hand legte ich mich auf die Couch. Alles in allem war es ein
scheußlicher Nachmittag gewesen, überlegte ich mißgelaunt .
Ich hatte eine angejahrte Blondine brutal mißhandelt ,
Dale Forest wie eine Ein-Mann-Gang terrorisiert und
Dr. Merrill über seine ärztliche Toleranzgrenze hinaus beleidigt. Und wozu das
alles? Genausogut konnte Forest seine Geschichte in einer Augenblickseingebung erfunden haben, nur um mich bei
Laune zu halten; und Dr. Merrill hatte sich nur deshalb so vorsichtig
ausgedrückt, weil er mich praktisch schon in der Zwangsjacke sah. Da ich mich
bereits den ganzen Tag wie ein Elefant im Porzellanladen aufgeführt hatte,
konnte ich auch den Abend so verbringen. Ich griff nach dem Telefon und wählte
Amanda Warings Nummer.
»Hallo ?« fragte sie nach dem vierten Klingeln. Ihre Stimme war vorsichtig, aber nicht
ängstlich.
»Denken Sie noch an Venice ?« fragte ich munter.
»Wer spricht da ?«
»Denken Sie doch mal an Venice «, wiederholte ich. »Sie haben sich auch an Malibu
Beach erinnert und daran, daß die Brandung die ganze Zeit rauschte. Und an
Vegas erinnern Sie sich ebenfalls, weil Sie dort den Preis beim Pokern
abgegeben haben und weil die Frau am Ende gewann. Also frage ich mich: Warum
erinnern Sie sich nicht auch an Venice ?«
Ein leises Klicken, und sie hatte aufgehängt. Ich nahm mir vor, fünf Minuten zu warten
und sie dann wieder anzurufen. Im Augenblick hatte ich nichts Besseres zu tun,
und man gewöhnt sich schnell daran, ein Flegel zu sein. Aber dann machte mir
jemand einen Strich durch die Rechnung: nach drei Minuten klingelte mein
eigenes Telefon.
»Holman ?« dröhnte mir eine Männerstimme ins Ohr. »Hier Sam Aikman.«
»Ich bin erstaunt, daß Sie
Henrietta lange genug loslassen, um nach dem Telefonhörer zu greifen«, teilte
ich ihm mit. »Oder sind Sie Linkshänder ?«
»Ich bin besorgt«, sagte er
brüsk. »Und
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