Nächstenliebe: Thriller (German Edition)
Doch es war schon zu viel in letzter Zeit geschehen, als dass ich noch immer die gleichen naiven Gedanken pflegte.
„Vor gar nicht allzu langer Zeit hätte ich alles für diese Worte gegeben. Doch ich weiß jetzt, dass du nicht mir alleine gehörst. Es gibt da draußen viel Leid und Not. Sie bedürfen deiner mehr als ich. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass deine Worte der Liebe das gleiche Feuer in den Herzen aller Menschen entzünden, wie dies bereits in meinem Herzen geschehen ist“, sagte ich und griff nach Joshuas Hand. Er erwiderte meinen Griff mit einem sanften Gegendruck. Ich weiß nicht ob ich es mir einbildete, aber Joshuas Augen bekamen wieder dieses Leuchten. Ich spürte wie sensibel und wie sehr er auf die Liebe seiner Nächsten angewiesen war, aus ihnen schöpfte er Kraft. Joshua nahm meine Hand und küsste sie zärtlich.
„ Was du heute Abend getan hast, hast du aus Liebe zu den Menschen getan. Dein Wort soll im Himmel bei meinem Vater das gleiche Gewicht haben wie auf Erden.“
„Gehe schlafen, Maria. Ich will noch hier unten ein wenig unter den Sternen weilen“, sagte Joshua. Am nächsten Morgen wurden wir sehr früh durch Lärm geweckt. Draußen war ein junger Diener des Lazarus, der Joshuas Namen schrie.
„Bist du still, du Wicht. Es ist noch Schlafenszeit“, rief ihm Thomas unsanft entgegen.
„Der Kummer lässt dich laut werden“, hörte ich eine Stimme und sah, dass sie Joshua gehörte.
Er war schon wach und angekleidet, sein Kopf war mit einem langen Tuch bedeckt. Er trat hinter einem Busch hervor.
„Verzeiht Herr, aber meine Herrin hat mich zu euch geschickt. Ihr Bruder, mein Herr Lazarus von Bethanien, liegt im Sterben und wünscht ein letztes Mal euch sehen zu dürfen.“
„Gehe hin zu deiner Herrin und sage ihr, diese Krankheit führt nicht zum Tode Lazarus, sondern damit Gottes Werk erfüllt werde.
Nachdem Joshua dies gesagt hatte, machte sich der Junge sofort auf den Weg.
„Sollten wir nicht nach Bethanien gehen, Meister?“, fragte Thaddäus.
Ich glaube er war genauso erstaunt, wie viele von uns, dass Joshua dem letzten Wunsch eines sterbenden Mannes nicht folgte.
Schließlich war Lazarus unser aller Freund.
„Heute nicht, morgen und übermorgen wird der Menschensohn predigen und am Tage darauf wird er nach Bethanien gehen, um an Lazarus Gottes Werk zu bezeugen und dorthin einzuziehen, wo er Gottes Werk erfüllen wird“, sagte Joshua und verschwand wieder.
Keiner von uns sagte etwas und keiner folgte ihm.
Dass Joshua seinen Freund im Stich ließ, wollte ich nicht glauben. Aber dass Lazarus in drei Tagen noch leben würde, auch nicht. Wir alle wussten um den Gesundheitszustand von Lazarus.
So war auch keiner von uns verwundert, als wir am Hause Lazarus ankamen und statt Freude Trauer empfingen.
Lazarus war gestorben.
Maria und Martha machten Joshua keinen Vorwurf, dass er der letzten Bitte Lazarus nicht nachgekommen war oder gar, das s er diesen hätte heilen können, wo er doch so viele geheilt hatte.
Wir alle waren sehr traurig, dass wir unseren geliebten Lazarus nicht verabschieden konnten.
Für Vorwürfe war in dieser Trauer vorerst kein Platz.
„Glaubt ihr an mich, Maria, Martha? Glaubt ihr, dass ich Lazarus im Stich gelassen habe?“
„Nein, Meister. Wieso sollten wir glauben, dass du ihn im Stich gelassen hast? Er war dein Freund, wie du auch seiner und unserer bist. Wir lieben dich. Lazarus´ Tod, so schwer es auch für uns ist, hat nichts mit deinem Fernbleiben zu tun. Als er starb, galten seine letzten Worte dir. Er sagte: erzählt ihm, dass ich ihn immer lieben werde und vor den Pforten des Paradieses auf ihn warte. Wie können wir dagegen dich einen Groll hegen“, antwortete Martha, die gegen ihre Tränen ankämpfte. So schwer schien ihr der Verlust von Lazarus.
Joshua blickte die beiden Schwestern sorgenvoll an und weinte auch.
Ich weiß nicht warum, aber ich musste daran denken, dass Joshua in letzter Zeit oft weinte, zumindest bekam ich dies oft mit. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich ihn zu Beginn unseres Kennenlernens je weinen gesehen habe. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass er uns zeigen wollte, dass kein Mensch sich seiner Tränen zu schämen braucht.
„Auch ich habe Lazarus geliebt und weil ich ihn liebte und noch immer liebe bitte ich euch, bringt mich zu ihm.“
„Meister. Er ist schon in der Familiengrotte und sicherlich mag auch schon leichter Geruch sich seiner habhaft gemacht haben. Ihr würdet ihn
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