Nächstenliebe: Thriller (German Edition)
unter den ganzen Leinen nicht erkennen.“
„Nicht mit den Augen oder der Nase erkennt man den Menschen. Ich sage euch, es ist das Herz, welches einen Freund von einem Pharisäer unterscheidet.“
Ich glaube Lazarus ´ Schwestern spürten, dass Joshua sehr viel daran gelegen war, dass sie ihm ihren Segen gaben, Lazarus zu sehen. So brachten sie ihn an sein Grab.
Wir folgten den Dreien in der Hoffnung, uns von Lazarus verabschieden zu können.
Eine Schar Neugieriger, die Joshuas Kommen mitbekommen hatten, folgten uns. Einige gaben abfällige Bemerkungen von sich, wie, dass er ein falscher Freund sei, denn wie könne er Fremde gesund machen oder sich gar Gottessohn nennen, wenn er nicht einmal seinen Freunden gegenüber barmherzig sei? Joshua taten diese Worte sehr weh. Ihm liefen die Tränen übers Gesicht und zeichneten auf dem Sand eine Spur. Keiner von uns traute sich etwas zu sagen, da wir wussten, wie sehr der Verlust Lazarus Joshua traf. So folgten wir ihm schweigsam und versuchten, den beleidigenden Worten des einen oder anderen Neugierigen mit Ignoranz entgegenzutreten.
Am Grab bat Joshua, ein wenig allein in der Grotte mit dem Toten verweilen zu dürfen. Wir folgten seinem Wunsch und begaben uns wieder bergab , warteten am Fuße des Hügels auf ihn.
Nach einiger Zeit trat Joshua aus dem Grab und kam den Hügel hinunter auf uns zu. Auf der Mitte des Weges blieb er stehen, kniete nieder und betete.
„Lazarus, Lazarus, steh auf von den Toten, denn ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben und wer da lebt und an mich glaubt, wird nimmer mehr sterben. So steh auf Lazarus, wenn du an mich glaubst“, sagte Joshua voller Inbrunst.
Wir schauten alle gebannt auf die Grotte, doch nichts geschah.
„Steh auf Lazarus und komm heraus!“, schrie Joshua und war selber aufgestanden und hatte seine Hände in den Himmel gestreckt.
Dennoch geschah nichts. Langsam machte sich Unmut unter den Neugierigen bereit und erste Worte, wie Scharlatan und Gotteslästerer oder ein: Wir wussten doch, dass dieser selbst ernannte Messias keiner ist, machten die Runde. Ich war froh, dass Joshua diese Worte nicht hören konnte.
„Glaubst du nicht an den Menschensohn, Lazarus?“, schrie Joshua und ich konnte neben starker Trauer seiner Stimme auch ein wenig Verzweiflung entnehmen. Wieder geschah nichts. Joshua wandte sich von der Grotte ab und kam auf uns zu. Mir tat Joshua in diesem Moment unendlich leid, denn ich konnte mir vorstellen, wie sehr ihn der Tod Lazarus traf. Vielleicht war seine Macht nicht stark genug um Tote zu heilen. Vielleicht reichte sie nur, um die Kranken und Schwachen gesunden zu lassen.
Doch noch viel mehr fürchtete ich die Menge Neugieriger, die ihn diese n Schmach mit Worten fühlen lassen würde und vielleicht sogar mit Steinen. Es sah aus, als ob dieser Tag kein gutes Ende nehmen würde.
Und wie würden einige der Jünger auf diese Enttäuschung reagieren? Würden sie denken, dass Joshua absichtlich seinen Freund sterben ließ, um ihn von den Toten zu erwecken?
Ich wollte nicht daran denken.
Denn die Konsequenz, die man aus solchen Gedanken zieht, liebes Tagebuch, ist eine schreckliche.
Joshua hatte uns schon fast erreicht, als plötzlich etwas Merkwürdiges geschah.
Der Eingang der Grotte war hell erleuchtet. Es schien, als hätte jemand Licht in der Grotte gemacht.
Du musst dir das bildlich vorstellen, liebes Tagebuch. Es war ein sehr warmer und trockener Tag. Die Sonne schien und es gab keine Wolken am Himmel und dann war auf einmal dieses Licht, welches aus der Grotte kam. Ein so helles und einnehmendes Licht, dass man seine Augen nicht abwenden konnte. Es erfüllte einen mit einem seltsam warmen Gefühl, dieses Licht anzuschauen.
Wir alle schauten ungläubig. Alle Worte verstummten und warteten, was passieren möge, nur Joshua drehte sich nicht um.
Und dann geschah das Unglaubliche.
Eine Gestalt kam aus der Grotte. Sie war in Leinen gehüllt.
Mir verschlug es den Atem. In diesem Augenblick drehte sich Joshua um.
„Entledige dich des Leinens. Lebende bedürfen diese r nicht!“, schrie Joshua der Grotte entgegen.
Die Gestalt entledigte sich des Leinens und stand da, wie Gott ihn schuf.
Die Gestalt, die dort stand, lebte, daran bestand kein Zweifel und doch konnte es nicht sein. Er war doch tot, aber meine Augen, ach was sag ich, die Augen Hunderter konnten nicht trügen. Die Gestalt, die dort stand, war Lazarus und an seiner Nacktheit konnte ein jeder
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