Nächstenliebe: Thriller (German Edition)
hatten sie auch Gott zu verdanken. Der Portier war ein streng gläubiger alter Katholik gewesen, der das Kloster, in dem Ismail sich während seines Jerusalemaufenthaltes aufhielt kannte, und sich auch an Ismail erinnert konnte.
Dass dies vielleicht nur ein glücklicher Zufall war, kam für Ismail nicht in Betracht. Er war der festen Überzeugung, dass es von Gott gewollt war. Denn Gott belohnte seine treuesten Schafe. Dank des Portiers war es ein Leichtes gewesen, bis ins Hotelzimmer vorzudringen. Aber warum sie dennoch aufflogen, konnte er sich nicht erklären. Auch der Teufel gewinnt mal eine Schlacht, doch den Krieg gewinnt Gott, dachte Ismail.
Im Wagen trat das andere Gesicht Ismails in Erscheinung. Das unbeherrschte. Er war seinem Ziel so nahe und dennoch war er nun im Wagen ohne dieses Buch. Und das alles, weil dieser Ali von Anfang an falsch gespielt hatte.
Sein böser, dunkler und unbeherrschter Blick fiel auf Ali. Ismail sah in seinem Gesicht, dass Ali große Angst hatte. Und dies gefiel ihm. Die Gewissheit absolute Macht über jemanden zu haben war trotz seines Asketen Daseins für ihn ein besonderer Genuss.
Am liebsten hätte er Ali zerquetscht, so schnell nahm sein anderes Ich wieder Besitz von ihm. Aber würde Gott das wollen, dass man sich jeglichen Menschen, die einem überflüssig schienen, oder einen enttäuschten, entledigte?
Vielleicht, vielleicht auch nicht. In diesem Punkt gab es zu viele unterschiedliche Antworten in der Bibel.
Aber er musste sich beherrschen, Ali konnte ihm noch nützlich sein.
Noch hatte er das Buch nicht gefunden. Und solange brauchte er Ali und seinen Sohn. Und dann?
Wenn das Buch in seinen Besitz käme, würden Ali und sein Sohn leben. Denn Gott war mildtätig und somit war auch er zur Mildtätigkeit verpflichtet.
Ismail sah sich nicht als Monster, als unberechenbares Instrument des Kardinals , nein, tief in seinem Herzen verabscheute er Gewalt, denn Jesus hatte Barmherzigkeit gepredigt. Er hatte gepredigt, seine Feinde zu lieben. Es war ein langer Weg so zu werden, wie Jesus es von einem abverlangte, aber er würde es schaffen. Und wenn er das Buch in Händen hält wird er zeigen, dass auch er barmherzig ist.
Es lag in Alis Händen, oder doch in Gottes Händen, ob Ali und sein Sohn weiterleben. Sein Herz hoffte, dass er der Engel der Gnade sein durfte. Denn tief in seinem Herzen wusste er, dass er ein Mensch der Liebe war, schließlich war er ein Hirte Gottes. Gesandt auf Erden, um die Liebe zu verkünden. Und weil tief gläubig war, wurde er für diese ehrenvolle Aufgabe ausgesucht.
Und Glauben bedeutete für ihn bedingungslose Liebe. Also, wie konnte dann ein Mensch glauben, der keine Liebe in seinem Herzen hatte?
„Gott liebt die Menschen, Ali? Glaubst du das nicht auch?“, sagte Ismail und blickte Ali mit ernstem Gesicht an.
Ali war nicht in der Lage zu sprechen. Der Schweiß rann ihm von der Stirn, seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen.
„Gott liebt die Menschen, auch dich und insbesondere die Kinder, denn es heißt geschrieben, lasst die Kinder zu mir kommen, denn ihnen gehört das Reich Gottes. Auch deinen Sohn Antara liebt er, Ali“, sagte Ismail und nahm den Knebel aus Antaras Mund. Dieser lag gefesselt und ohne Regung auf der Rückbank.
Ismail blickte zu Antara. Seine Mimik hatte etwas Absurdes angenommen, aus dem eben noch Angst einflößenden, kräftigen und zu allem fähigen Blick schien ein erbarmender, nachsichtiger Ausdruck geworden zu sein.
„Du glaubst doch an Gott, Antara? Du, mit diesem großen Namen.“
Antara schaute Ismail an und trotz seines noch sehr jungen Alters schien er die Situation richtig begriffen zu haben. Er versuchte, seine Angst zu verbergen und nickte.
„Deswegen, Ali, liebt Gott alle Kinder dieser Welt. Egal ob Christen, Moslems, Juden oder Heiden. Ihr Herz ist rein. Du kannst viel von ihnen lernen.“
Ali nickte nur.
„Dein Sohn wird sich doch zu benehmen wissen, oder?“
„Ja“, antwortete Ali und sein Blick wanderte zu Antara.
„Es ist sehr ärgerlich, dass wir nicht das Buch in Händen halten.“
„Wir können warten und es später noch einmal versuchen“, versuchte Ali Ismail zu beschwichtigen.
„Sei kein Dummkopf, Ali. Der Teufel ist sein Freund. Er weiß, dass wir ihn suchen. Wir müssen ihn kriegen. Er wird sicher zum Flughafen wollen.“
„Dann sollten wir auch dorthin fahren und dort auf ihn lauern.“
„Oder ihm zuvorkommen, indem wir auch in die Maschine steigen, die er
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