Kaiserstraße (heutige Independence Avenue) herum ab. Redecker war einmal mehr für die Architektur verantwortlich, jedoch hatte auch von Lindequist, Staatssekretär und früherer Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, einigen Einfluss auf die Gestaltung des neuen Regierungssitzes. Die Company Sander und Kock machte das preiswerteste Angebot für den Bau mit einer Summe von 415 000 Mark. Für das Fundament nutzte man Quarzitsandstein, der vom Gebiet des heutigen Avis Dam per eigens gebauter Eisenbahn herangeschafft wurde. Verwendet wurden außerdem erstmalig in einer einheimischen Fabrik hergestellte Zementbacksteine und Holz aus Kamerun für die Innenausstattung, das Dach wurde mit dem typischen Wellblech gedeckt.
Das Gebäude besteht aus zwei Stockwerken, der Sitzungssaal ist in der Mitte, rundherum 42 Büros. Richtfest war am 12. April 1912, Mitte November wurde der Bau bezogen. Die Bevölkerung ignorierte das weitestgehend, nur die
Keetmanshooper Zeitung
kommentierte wie folgt: „Eines ist sicher, zum Vergnügen wird gewiss niemand in die Wolken steigen, dort wo die Götter thronen. Und vor allzu großem Zudrang der Bevölkerung werden die Governmentsbehörden dort sicher sein.“
In der Folgezeit gab es einige Um- und Anbauten: 1962 wurde ein neuer Bürokomplex neben dem Tintenpalast fertiggestellt. Dort ist heute die Computerabteilung der Regierung untergebracht. 1964 fand die Eröffnung eines weiteren Gebäudes zwischen Tintenpalast und neuem Bürokomplex statt, das Office of the Prime Minister. Der Sitzungssaal hatte im Unabhängigkeitsprozess eine große Bedeutung: 1989 und 1990 saßen hier die gewählten Vertreter aller Parteien und entwarfen die Verfassung der Republic of Namibia.
Nach der Unabhängigkeit wurden einige Änderungen am Gebäude vorgenommen. Der alte Sitzungssaal wurde 1990–92 vom Architektenbüro Klaus Brandt erneuert und rekonstruiert. Dort tagt jetzt die National Assembly (Nationalversammlung, in der Funktion vergleichbar mit dem Bundestag). 1992 begann ein weiterer wesentlicher Anbau: Im Hof des Tintenpalastes wurde ein neues dreistöckiges Gebäude errichtet. Der National Council (Nationalrat, in der Funktion vergleichbar mit dem Bundesrat), der vorher in der Turnhalle untergebracht war, tagte dort zunächst, bevor er 2001 in das neue Gebäude nördlich des Tintenpalastes zog.
Steht man vor dem Eingang des Tintenpalastes und blickt auf den Garten, sieht man seit 2002 vor sich drei Statuen , in der Mitte sitzend Hosea Kutako, der charismatische Herero-Führer, der eine entscheidende Rolle im Befreiungskampf Namibias spielte, links steht Hendrik Samuel Witbooi (Enkel des legendären Nama-Oberhauptes Hendrik Witbooi, der sich als erster gegen die Weißen erhob), und rechts steht Theophilus Hamuntubangela, ein Priester der Ovambo, der entscheidend an der Entstehung eines politischen Bewusstseins der Schwarzen und der Formierung der Befreiungsbewegung der Ovambo in den 60er-Jahren beteiligt war. Übrigens gab es fast drei Jahre lang nur die Statue von Hosea Kutako – jedoch verhüllt. Kurz vor der feierlichen Enthüllung machte ein Herero-Abgeordneter im Parlament eine rassistische Bemerkung (in dem Sinne, dass die Herero die eigentlichen Befreier seien), woraufhin Hosea erstmal unter der Plane verblieb, bis beschlossen wurde, ihm Befreiungshelden anderer Völker an die Seite zu stellen.
Der wunderschöne Garten des Tintenpalastes wurde 1931/32 von den Architekten Zirkler und Kerby angelegt, nachdem 1930 der Avis Dam gebaut worden war, um Windhoek vermeintlich endgültig von seinen Wassersorgen zu befreien. Neben dem Zoopark stellt der Tintenpalastgarten die einzige öffentliche Grünanlage Windhoeks dar. Auf dem Rasen im Schatten der großen Bäume lässt es sich wunderbar verweilen, hier ist es etwas ruhiger als im belebten Zoopark. Im September/Oktober blühen die weiß- und lilafarbenen Jakarandabäume.
Das Ludwig von Estorff Haus in der Fidel Castro Street unterhalb der Christuskirche stammt aus dem Jahre 1898. Es wurde als Messe für die Schutztruppe errichtet und später als Wohnhaus umgebaut. Benannt ist es nach dem Generalmajor und Oberkommandierenden der Schutztruppe, von Estorff, der hier von 1902 bis 1910 lebte, wenn er nicht gerade im Busch war. Ab 1984 beherbergte das Gebäude die Nationalbibliothek, und heute befindet sich dort der Sitz der Namibisch-Deutschen Stiftung,061-225700,221256,
[email protected], www.goethe.de/windhoek , die Betreiberin des Goethe-Zentrums