Nebeltod auf Norderney
Schulbesuch verlief unregelmäßig, zudem fehlten die Lehrer, und auch die Gebäude waren zum Teil zerstört.
Als Georg Calvis die Volksschule Heppens verließ, war er bereits für sein Alter lebenserfahren und gereift und ließ sich zum Dachdecker ausbilden. Besonders stolz war er auf seine Beteiligung an der Wiederherstellung des Turms der Marinegedächtniskirche. Neue Wohnhäuser wurden erstellt, Schulen errichtet und Geschäfte gebaut. Die Hafenanlagen erfuhren eine Neubelebung. Die demontierten Anlagen der Marinewerft wurden friedlichen Zwecken zugeführt. Es ging bergauf.
Wilhelmshaven wurde mit der Ansiedlung der Olympia-Büromaschinenfabrik, der Krupp-Ardelt-Werke und Textilfabriken zu einer wichtigen Industriestadt am Jadebusen.
Zu dieser Zeit, wo Bürgerfleiß und Unternehmergeist zum Wohle der Bürger zu ihrem Recht kamen, schlug auch für Georg Calvis die Stunde des Erfolges. Der strebsame und clevere Dachdeckergeselle bestand vor der Prüfungskommission die Meisterprüfung und machte sich zwei Jahre später selbstständig. Dank seiner sympathischen Art und seiner tüchtigen Mitarbeiter gelang ihm die Expansion seines Betriebes, und bereits innerhalb von zwei Jahren beschäftigte er 24 Arbeiter.
Der Erfolg ging weiter. Er beteiligte sich an einer Baufirma in Jever, die er das Jahr danach ganz übernahm. Während seines Erfolgskurses lebte Georg Calvis mit seiner alten Mutter zusammen. Er gönnte sich keine Ablenkungen und Zerstreuungen. Ihm fehlte auch die Zeit, mit attraktiven jungen Frauen das Theater zu besuchen oder in den noblen Restaurants essen zu gehen. Denn Georg Calvis wurde getrieben vom Wunsch nach Erfolg.
Kurz vor dem Tode seiner Mutter legte er den Grundstein für das weitere Wachstum seines Betriebes. Es handelte sich um die vernachlässigte Immobilie eines ehemaligen Marineoffiziers, dessen Frau vor einem Jahr verstorben war. Der Alte hatte eine Tochter, die in der Nähe von Kaiserslautern als Lehrerin arbeitete.
Das Dreifamilienhaus befand sich auf der Susemilstraße, nicht weit entfernt von der Banter-Ruine direkt am Seedeich. Das Grundstück war verwildert und ungepflegt. Das Dach musste dringend nach einem heftigen Sturm neu eingedeckt werden. Zudem hatteder ehemalige Marineoffizier die erste und zweite Etage an Rentner vermietet, die auch Schäden an den alten Fenstern anmeldeten.
Das alles stieg dem alten Herrn über den Kopf und war der Tochter zu viel. Sie besuchte die Stadt an der Jade für wenige Tage, besah sich die Schäden, fand zu Georg Calvis und klagte ihm ihr Leid.
Kurz entschlossen begleitete sie Georg Calvis zu einem Notar und verkaufte ihm das Haus. Sie nahm den alten Vater mit nach Kaiserslautern.
Die Handwerker von Georg Calvis setzten das alte Stadthaus in Stand. Nach der Renovierung zog ein Arzt vom Krankenhaus mit seiner Familie ein und zahlte einen guten Preis.
Als Anna Calvis, geschwächt durch eine Erkältung, an einer heftigen Wintergrippe 75-jährig verstarb, hinterließ sie ihm neben einer ansehnlichen Barschaft das große Haus auf der Bismarckstraße, das er all die Jahre in Schuss gehalten hatte.
Die Einsamkeit nach dem Tod seiner Mutter machte ihm zu schaffen. Die Geschäfte aber gingen gut, die Auftragslage war hervorragend. Er kaufte in Fedderwarden ein Geschäftshaus mit einer angegliederten Bäckerei und vermietete sie an einen jungen Bäckermeister. Doch zu dieser Zeit, als er sich über geschäftliche Erfolge nicht beklagen konnte, geschah Unvorhersehbares. Dem wohlhabenden Dachdecker Georg Calvis kam das Schicksal zu Hilfe.
Der aus Wilhelmshaven stammenden Lehrerin Gudrun Hessel wollte es nach dem Tode ihres Vaters in Kaiserslautern am Albert-Schweitzer-Gymnasium nicht mehr gefallen. Sie hatte ihren Vater in Wilhelmshaven auf dem Nordfriedhof im Familiengrab neben ihrer Mutter beisetzen lassen. Die Folge war Heimweh, das eine im Fernsehen gesendete Dokumentation über die nordwestdeutsche Küstenregion ausgelöst hatte. Zu Tränen gerührt, hatte sie sofort ihre Versetzung beantragt.
Sie bereute den Verkauf des elterlichen Wohnhauses und nahm Kontakt zu Georg Calvis auf, der ihr das alte Haus abgekauft hatte.
An ihrer Schule in Kaiserslautern begründeten die Kolleginnen und Kollegen allerdings ihr krankhaftes Verlangen nach ihrer Heimat anders. Schuld daran trug Hannes Huisgens. Der hünenhafteSportlehrer, ihr langjähriger Freund, hatte sich einer hübschen Metzgertochter zugewandt. Dabei besaß Gudrun Hessel sämtliche Attribute
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