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Nebeltod auf Norderney

Nebeltod auf Norderney

Titel: Nebeltod auf Norderney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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angesichts einer allgemeinen Preissteigerung das Zusammengehörigkeitsgefühl förderte. Er wusste von seinem Vater um die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit seinen Handwerkern und ließ die Befugnisse in den bewährten Händen.
    Die mit dem Steuerberater ausgearbeitete Vermögensübersicht überstieg all seine Erwartungen. Seine Mutter lebte von ihrem Gehalt und lehnte es ab, sich um den Nachlass zu kümmern. Jesko verstand sich allerdings als ihr Angestellter. Er bezahlte mit dem Pflichtanteil seiner Erbschaft die große Luxuswohnung im Helgolandhaus, erwarb von der Mutter das Apartment auf Norderney, die sich im Gegenzug in Nerja an der Costa del Sol für ihre Ruhejahre eine große Eigentumswohnung kaufte.
    Das Zusammenleben von Mutter und Sohn verlief großartig und basierte auf beiderseitigem Vertrauen.
    Der Diplomkaufmann Jesko Calvis stand seinem Vater in nichts nach. Unter seiner Regie entstanden in der Rauner Hooge bei Greetsiel 12 und in Norddeich 35 Ferienhäuser, die alle zufriedene Käufer fanden. Jesko Calvis mehrte den Wohlstand und blieb der bescheidene, nette Unternehmer. Er war spendabel und suchte für Besprechungen feine Restaurants auf, wenn es geschäftlich angebracht war.
    Er begleitete seine Mutter mehrmals für kurze Zeit nach Nerja, und er liebte es, seine Geschäfte von Norderney aus zu lenken, wenn sie keine Besuche erforderten. Seine wiederholten Versuche, eine Frau kennen zu lernen, schlugen fehl. Sein Reichtum schien ihm im Wege zu stehen. Er sehnte sich vergeblich nach echter Liebe.
    Hin und wieder fuhr er mit einem schlechten Gewissen nach Bremen oder Hamburg, um sich dort in den gewissen Etablissements, wie er sich unter Freunden ausdrückte, »zu entsaften«. Dabei kam er sich äußerst schäbig vor. Selbst seine alte Muter sparte nicht mit anzüglichen Bemerkungen über diese Wochenendfahrten. Was Jesko blieb, war die Arbeit, die er sehr schätzte.
     
    Als Rudi Spatfeld 1947 aus englischer Gefangenschaft entlassen wurde, war er 21 Jahre alt. Er hatte sich als Schüler des Clara-Schumann-Gymnasiums in Düsseldorf freiwillig zur Marine gemeldet. Sein Vater war auf dem Rückzug aus Russland gefallen. Er war Offizier und hatte die Schlacht um Stalingrad überlebt.
    Seine Mutter, gequält von der Angst um die Zukunft, hatte sich einem kriegsinvaliden Nachbarn anvertraut, der nach einer Beinamputation als Soldat in die Heimat nach Hause entlassen worden war und in Düsseldorf-Himmelgeist einen Herrenfrisiersalon eröffnet hatte. Seine Frau war während eines Bombenangriffs mit der Tochter ums Leben gekommen.
    Nach einem herzlichen Empfang fand Rudi Spatfeld fürs Erste Aufnahme in der kleinen Wohnung der beiden. In Anbetracht der wirtschaftlichen Nachkriegsverhältnisse bekam er eine Stelle in der Lohnbuchhaltung bei der Firma Henkel, die ihre Produktion wieder aufgenommen hatte.
    Nach der DM-Einführung besuchte er in Düsseldorf die von der »Brücke« angebotenen Kurse, die zum Teil speziell für Kriegsteilnehmer abgehalten wurden. Sie galten als anerkannte Qualifikationen und führten im Baukastensystem zu höheren Abschlüssen.
    Bei der Firma Henkel lernte er auch Maria Bühler kennen. Sie arbeitete als Bibliothekarin in der Betriebsbücherei und lieh ihm dieneu angeschafften wissenschaftlichen Werke aus, die er für seine Studien benötigte.
    Maria Bühler wohnte mit ihrer Mutter in einer Betriebswohnung von der Kriegerwitwenrente. Sie hatte in Köln studiert. Auch sie hatte wie Rudi Spatfeld dunkelblondes Haar, war aber im Gegensatz zu ihm klein und zierlich. Er war groß und schlank.
    Der Zufall wollte es, dass Rudi Spatfeld, dem wegen seines zusätzlichen Abendstudiums wenig Freizeit blieb, das betriebseigene Hallenbad am Samstagmorgen besuchte und dort mit dem netten Fräulein der Werksbibliothek zusammentraf. Er gab sich kühl und sachlich und zeigte sich ungeschickt im Umgang mit jungen Frauen.
    Auch Maria Bühler mied es, ihm ihre Sympathie zu zeigen. Sie gab sich ihm gegenüber sehr distanziert, wie es zu der Zeit üblich war. Auch, wenn sie ihn am Tresen der Bibliothek bediente, blieben ihre Gespräche sachlich.
    Dabei freuten sie sich beide samstags auf das Wiedersehen beim Schwimmen. Dann suchten sie sich verlegen mit ihren Blicken, und es war nur ganz selten, dass sie ein paar Worte miteinander tauschten.
    Es dauerte etwa ein ganzes Jahr, bis sich Rudi Spatfeld ein Herz fasste und sich in der Badeanstalt zu ihr setzte. Der strebsame, junge Angestellte mit den ernsten

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