Nebenweit (German Edition)
das Sie vermutlich auf der Schule gelernt haben. Aber das nur nebenbei. Sie sollten uns jetzt wie verabredet eine Weile allein lassen.«
Dupont nickte nur und wandte sich wortlos zum Gehen.
Nachdem die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, wandte ich mich wieder Mortimer zu. »Ist’s recht, wenn wir uns setzen?«, fragte ich ihn auf Englisch und steuerte auf den zweiten Sessel im Raum zu, der neben einem niedrigen Couchtisch stand. Daneben gab es in dem Raum noch ein breites Bett, ein Sideboard und einen Flachbildfernseher an der Wand. An der Seitenwand war eine Tür zu erkennen, die vermutlich ins Badezimmer führte.
Mortimer strahlte immer noch. Man konnte seine Erleichterung förmlich spüren. Dr. Weber im Kreiskrankenhaus hatte Demenz angedeutet, aber auf mich machte der Mann einen recht wachen Eindruck.
»Ich bin ein Freund von Mr. Dupont«, erklärte ich ihm. »Er hat mich gebeten, mich mit Ihnen zu unterhalten, weil ich Englisch spreche und er in seinem ganzen Institut niemanden hat, der sich mit Ihnen verständigen kann. Ich weiß, was Sie der Polizei und den Leuten im Kreiskrankenhaus erzählt haben, würde aber gerne zunächst noch ein paar Fragen an Sie stellen, damit ich mir ein klares Bild machen kann. Sind Sie damit einverstanden?«
»Ja, klar, geht schon in Ordnung«, nickte Mortimer. »Die haben Ihnen ja vermutlich gesagt, dass ich ein wenig plemplem bin und nicht weiß, wo ich hingehöre. Aber von denen konnte ja keiner Englisch. Sie können sich höchstwahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie unglaublich gut es tut, mit jemand von zu Hause reden zu können. Woher kommen Sie denn?«
»Da muss ich Sie enttäuschen, ich bin Deutscher, ich habe nur eine Weile in Ihrem Land gearbeitet, in Washington D.C., deshalb spreche ich Ihre Sprache. Sie stammen ja aus St. Louis, hat mir Mr. Dupont gesagt. Und ein Fan der St. Louis Cardinals sind Sie anscheinend ja auch«, ich deutete dabei auf das Emblem auf seinem Pullover.
Jetzt strahlte er über das ganze Gesicht. »Sie kennen sich ja wirklich aus. Mit etwas Glück schaffen die heuer die World Series. Ich hoffe nur, dass ich bis dahin wieder zu Hause bin. Das sind doch höchstens noch zwei Wochen.« Er sah mich fragend an.
»Tut mir leid, so genau weiß ich nicht Bescheid, aber ich werde mich darum kümmern«, versprach ich und nickte ihm dabei aufmunternd zu. Reines Glück, dass ich das Logo seiner Mannschaft erkannt hatte. Für viele Amerikaner ist die Zugehörigkeit zu ihrem Sportclub eine Verbindung auf Lebenszeit und trägt beinahe religiöse Züge.
Mortimer wirkte jetzt ganz gelockert und sah sich im Zimmer um. »Tut mir leid, dass ich Ihnen nichts anbieten kann außer Kaffee«, sagte er und griff nach der Kanne, die neben zwei unbenutzten Tassen auf dem Tisch stand. »Darf ich?« Als ich nickte, schenkte er mir ein und nahm sich selbst eine Tasse. »Guten Kaffee macht ihr Deutschen ja«, lobte er. »Wie sagten Sie doch, dass Sie heißen? Börnd Liukes? Stimmt das?«
»Bernd Lukas«, korrigierte ich ihn. »Aber sagen Sie ruhig Bernd.«
»Okay, ich bin Frederic, sagen Sie bitte Fred«, ergänzte Mortimer seine Vorstellung. »Und jetzt sagen Sie mir, wo ich hier bin. Dumme Frage eigentlich, schließlich war ich die letzten Jahre, seit meine Gisela tot ist, schon dreimal hier, aber die haben gesagt, dass es die Pension Edelweiß« – er sprach es Eidlwiss aus – »gar nicht gibt. Und was noch viel verrückter ist, die wissen auch nichts vom World War Two, dabei war ich doch selbst dabei, damals, fünfundvierzig. Aber das war ja vor Ihrer Zeit …« Er hielt inne, wie um auf eine Bestätigung zu warten.
»Vor meiner Zeit war das schon, aber ich weiß, wovon Sie reden. Ein schrecklicher Krieg muss das gewesen sein. Meine Eltern haben mir oft davon erzählt. Mein Vater hat im Westen gekämpft, in Frankreich. Er ist bei der Ardennenoffensive verwundet worden, Battle of the Bulge hieß das bei Ihnen. Ein Onkel von mir ist damals gefallen. Doch, ich weiß schon, wie es damals war, und ich weiß auch, dass Ihre Truppen hier einmarschiert sind, damals, 1945 …«
»Genau, im April war das, ich war beim 3rd Armoured Cavalry Regiment, dem ersten, das in Deutschland über die Moselbrücke ging und später hier in der Gegend eingesetzt war. Ich erinnere mich noch ganz deutlich, wie die Jungen und Mädchen in den Dörfern standen und uns zugewinkt haben, als wir ihnen aus unseren Tanks Schokolade und Kaugummi zugeworfen habe. Seltsam eigentlich«,
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