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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
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BTX sogenannte Teilnehmer-, sprich Konsumentenkennungen und sogenannte Anbieterkennungen gab. Letztere waren deutlich teurer. Zudem brauchte man als Anbieter ein etwa 6000 D-Mark teures Terminal mit richtiger Tastatur zur Bedienung von BTX. Die Konsumenten dagegen mussten mit einem zigarrenkistenkleinen Kasten mit paar Knöpfen vorliebnehmen, »nur Tasten für ja, nein und kaufen«, wie ein CCC-Mitglied das später spöttisch formulierte. Der neue Dienst war ein Konsumwerkzeug, ein System, dessen technische Struktur nicht vorsah, dass Normalbürger sich produktiv damit auseinandersetzten, ein Affront gegen die Hacker-Ethik. BTX war genau die Art von rudimentärer, asymmetrischer Vernetzung, die Wau Holland für falsch und gefährlich hielt. Folgerichtig vergriff sich der CCC als erstes an der Hardware: Mit einer Bohrmaschine legte ein Clubmitglied die in der Teilnehmer-Zigarrenkiste verborgene Tastatur frei, eigene Tasten wurden ergänzt. Nun ließen sich auch mit dem Billigzugangsgerät tatsächlich Texte verfassen. Die Befreiung der verborgenen Tastatur per Bohrmaschine ist ein perfektes Bild für das, was die CCC-Gründer damals antrieb: hinter die Staffage der Konzerne und ihrer Produkte zu blicken, um das, was sich dort an Nützlichem oder Gefährlichem verbarg, für jedermann sichtbar und zugänglich zu machen.
    Holland selbst nannte den BTX-Hack später genüsslich »ein wirkungsvolles Gesprächsangebot unsererseits«. Für die Bundespost, die sich als High-Tech-Unternehmen zu profilieren versuchte, war das Ganze unglaublich peinlich. Das unmittelbare Opfer der Aktion dagegen, HaSpa-Vorstand Benno Schölermann, bekundete »Hochachtung vor der Tüchtigkeit dieser Leute«, als er im »heute journal« nach seiner »Einstellung zu Hackern« gefragt wurde.
    Durch den BTX-Hack schien der CCC im Orwell-Jahr 1984 auf dem besten Weg, Levys Hacker-Ethik in der deutschen Gesellschaft zu verbreiten – mit Hollands Ergänzungen: »Mülle nicht in den Daten anderer Leute« und »Öffentliche Daten nützen, private schützen«. Gerade diese Forderung nach privatem Datenschutz erscheint im Zeitalter von Facebook und Google, Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung aktueller denn je. Man müsse versuchen, erklärte Holland die Mission des CCC einmal, »diesen Dunstschleier, der vor der ganzen Computerszene und vor der ganzen Computerwelt an sich steht, einfach wegzuwischen und reinzutreten manchmal, wenn’s sein muss«.
    Öffentlichkeit herzustellen jedenfalls war dem CCC mit dem BTX-Hack gelungen. Deutsche Tageszeitungen berichteten atemlos vom »elektronischen Bankraub«, und Holland und Steffen Wernéry, der zweite Kopf des Clubs, gaben Radio-und Fernsehinterviews. Die deutschen Medien waren fast ausnahmslos auf der Seite der Hacker – schließlich waren sie nett, sahen lustig aus, hatten einerseits im Dienste der guten Sache gehandelt und andererseits eine hervorragende Story geliefert, die gut zur schon damals verbreiteten allgemeinen Skepsis gegenüber Computern und deren Vernetzung passte. Der Club war dabei, zum Sprachrohr einer Bewegung zu werden, wie sie Holland vorschwebte. Einer Bewegung, die Technik zwar kritisch, aber dennoch spielerisch und letztlich optimistisch betrachtete. Schon kurze Zeit später aber geriet dieser Vertrauensvorsschuss in Gefahr.

Der KGB-Hack und Karl Kochs Tod
     
    Eigentlich hatten Wau Holland und Karl Koch eine Menge gemeinsam. Beide waren große Fans von Robert Anton Wilson und dessen »Illuminatus«-Trilogie, beide kifften gern, beide glaubten an vernetzte Computer als Hilfsmittel zum Erreichen einer besseren, freieren Welt. Wer weiß, vielleicht hätte der gutmütige Prediger Wau den orientierungslosen, zunehmend verzweifelten Verschwörungstheoretiker Karl vor dem Untergang bewahren, das Schlimmste verhindern können. Doch Holland und Koch sind einander offenbar nie begegnet. Und Holland hatte den Überblick über die Aktivitäten all seiner Schäfchen längst verloren, von Kontrolle ganz zu schweigen. Schon Mitte der Achtziger begann eine lose Gruppe von Hackern aus dem CCC-Umfeld in großem Stil in die »VAX« genannten Großrechner des US-Herstellers Digital Equipment Corporation einzudringen, weil sie eine Lücke in deren Sicherheitssystemen entdeckt hatten. Die Rechner standen in Forschungseinrichtungen und Behörden überall im Westen, unter anderem auch bei der Nasa. Und die »Vax Busters« gingen nicht nur in den Weiten der Systeme spazieren, sie kopierten nun auch

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