Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
fragte er Maelcum.
    Der Zionit schüttelte seine Locken. »Zeit is Zeit.«
    »O Gott«, sagte Case und schloss die Augen.
     
    Die Braun krabbelte über den Teppichberg und klopfte mit einer ihrer gepolsterten Klauen an eine übergroße, rechteckige Tür aus dunklem, ramponiertem Holz. Hinter ihnen im Wagen schmorte irgendwas durch. Blaue Funken sprühten aus Jalousieschlitzen. Der Funkenregen ergoss sich auf den Teppich unter dem Wagen. Es stank nach versengter Wolle.
    »Geht’s da lang, oder was?« Maelcum beäugte die Tür und entsicherte die Schrotflinte.
    »He«, sagte Case mehr zu sich als zu Maelcum, »woher soll ich das wissen?« Der Kugelkörper der Braun drehte sich; das LED blinkte.
    »Du solls’ die Tür aufmachen«, sagte Maelcum nickend.
    Case trat vor und betätigte versuchsweise den schmuckvollen Messingknauf. An der Tür war in Augenhöhe ein Messingschild angebracht, so alt, dass die einst eingravierte Schrift zu einem unleserlichen Gekritzel entstellt, der Name einer längst erloschenen Funktion oder eines schon lange toten Funktionärs bis zur Unkenntlichkeit wegpoliert war. Er fragte sich beiläufig, ob Tessier-Ashpool jedes Stück der Straylight einzeln ausgesucht oder en gros aus einem riesigen europäischen Fundus à la Metro Holografix bezogen hatte. Die Angeln quietschten klagend, als er die Tür aufzog, und Maelcum schob sich an ihm vorbei, die Remington aus der Hüfte heraus im Anschlag.

    »Bücher«, sagte Maelcum.
    Die Bibliothek, die weißen, beschilderten Stahlregale.
    »Ich weiß, wo wir sind«, sagte Case. Er schaute zu dem Servicewagen zurück. Ein Rauchwölkchen stieg vom Teppich auf. »Komm her!«, befahl er. »Wagen. Wagen?« Das Ding rührte sich nicht von der Stelle. Die Braun zupfte an seinem Hosenbein und zwickte ihn in den Knöchel. Er widerstand dem starken Drang, ihr einen Tritt zu verpassen. »Ja?«
    Die Braun stelzte tickend um die Tür herum. Case folgte ihr.
    Der Monitor in der Bibliothek war ebenfalls ein Sony und genauso alt wie der erste. Die Braun blieb darunter stehen und führte eine Art Tanz auf.
    »Wintermute?«
    Die vertrauten Züge erfüllten den Bildschirm. Der Finne lächelte. »Zeit zum Einchecken, Case«, sagte der Finne, die Augen gegen den Qualm einer Zigarette zusammengekniffen. »Komm schon, steck ein!«
    Die Braun stürzte sich auf seinen Knöchel und machte sich daran, an seinem Bein hochzuklettern, wobei die Greifer ihm durch den dünnen, schwarzen Stoff ins Fleisch kniffen. »Scheiße!« Er schlug das Ding weg, und es knallte gegen die Wand. Zwei seiner Gliedmaßen begannen sinnlos zu strampeln; sie fuchtelten in einem fort in der Luft herum. »Was ist’n mit dem verdammten Ding los?«
    »Durchgebrannt«, sagte der Finne. »Kümmer dich nicht drum. Ist alles okay. Steck jetzt ein!«
    Unter dem Monitor waren vier Buchsen angebracht, aber der Hitachi-Adapter passte nur in eine. Er steckte ein.
     
    Nichts. Graue Leere.
    Keine Matrix, kein Gitter. Kein Cyberspace.
    Das Deck war weg. Seine Finger waren …

    Und an der fernen Grenze des Bewusstseins eine huschende Bewegung, der flüchtige Eindruck, dass etwas über Meilen schwarzer Spiegel hinweg auf ihn zuraste.
    Er wollte schreien.
     
    Hinter der Biegung des Strands schien eine Stadt zu liegen, aber sie war weit weg.
    Er hockte im feuchten Sand auf den Fersen, die Arme fest um die Knie geschlungen, und zitterte.
    In dieser Haltung verharrte er lange Zeit, wie es ihm schien, selbst als das Zittern aufgehört hatte. Die Stadt, falls es sich um eine Stadt handelte, war flach und grau. Zuweilen verbarg sie sich hinter Nebelbänken, die über die plätschernde Brandung heranrollten. Einmal kam er zu dem Schluss, dass es gar keine Stadt war, sondern ein einzelnes Gebäude, eine Ruine vielleicht; es war unmöglich, die Entfernung abzuschätzen. Der Sand hatte die Farbe von angelaufenen Silber, das noch nicht ganz schwarz war. Der Strand bestand aus Sand, der Strand war sehr lang, der Sand war feucht, der Hosenboden seiner Jeans war nass vom Sand … Er hielt sich umschlungen und wippte, summte ein Lied ohne Worte und Melodie.
    Der Himmel hatte einen anderen Silberton. Chiba. Wie der Himmel von Chiba. Die Bucht von Tokio? Er drehte den Kopf und schaute aufs Meer aus, sehnte sich nach dem Hologramm-Logo von Fuji Electric, dem Geknatter eines Hubschraubers, nach irgendetwas.
    Hinter ihm kreischte eine Möwe. Er erschauerte.
    Wind kam auf. Sand stach ihm ins Gesicht. Er senkte das Gesicht auf die Knie und

Weitere Kostenlose Bücher