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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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liebsten die Luft angehalten.
    Der Stuhl knarrte wieder. »Neunzig, hm?«
    »Ja.«
    »Erzähl!«
    »Eddy, ich bin so müde …«
    »Nein«, sagte er.
    Aber was er hören wollte, war nicht die Wahrheit oder dergleichen. Er wollte eine Geschichte, die Geschichte, die er ihr beigebracht hatte. Er wollte nicht hören, worüber sie geredet hatten (und die allermeisten hatten etwas, was sie sich unbedingt von der Seele reden wollten, und das taten sie für gewöhnlich auch) oder wie sie es anstellten, nach den Bluttests zu fragen, er wollte nicht hören, dass so ziemlich jeder die gleichen Scherze über Krankheiten machte, für die es vielleicht keine Heilung, aber zumindest eine Besserung gäbe, und auch nicht, was sie im Bett wollten.
    Eddy wollte von dem Kleiderschrank hören, der sie wie ein Stück Dreck behandelte. Aber sie musste aufpassen, wenn sie diese Geschichte erzählte, damit sie den Freier nicht zu brutal darstellte, denn das hätte mehr gekostet, als sie wirklich kassiert hatte. In der Hauptsache ging es darum, dass dieser imaginäre Freier sie wie eine Maschine behandelte, die er für eine halbe Stunde gemietet hatte. Solche Typen gab es natürlich wie Sand am Meer, aber die meisten trugen ihr Geld in Puppensalons
oder ließen es sich per Stim besorgen. Mona bekam eher diejenigen, die reden und einem hinterher ein Sandwich spendieren wollten, was auf gewisse Weise auch schlimm sein konnte, aber nicht auf die Weise, wie Eddy es brauchte. Und Eddy brauchte noch mehr. Sie musste ihm nämlich erklären, sie würde das eigentlich nicht mögen, hätte sich aber dabei ertappt, dass sie es trotzdem wollte, und zwar unbedingt.
    Sie langte im Dunkeln nach unten und berührte den Umschlag voller Geld.
    Der Stuhl knarrte erneut.
    Also erzählte sie ihm, wie sie aus einem BuyLow gekommen war und er sie angemacht hatte, dieser Schrank, sie einfach gefragt hatte, was sie verlangte. Es war ihr zwar peinlich gewesen, aber sie hatte ihm trotzdem ihren Preis genannt und sich einverstanden erklärt. Also waren sie zu seinem Auto gegangen, das alt und geräumig war und irgendwie muffig roch (ein aus ihrer Zeit in Cleveland stibitztes Detail), und da hatte er sie praktisch über den Sitz geworfen …
    »Vor dem Supermarkt?«
    »Dahinter.«
    Eddy warf ihr nie vor, etwas davon erfunden zu haben, obwohl er selbst ihr den Ablauf zweifellos in den Grundzügen eingetrichtert hatte und es eigentlich immer die gleiche Geschichte war. Als der Schrank dann ihren Rock oben hatte (den schwarzen, sagte sie, und ich hatte die weißen Stiefel an) und seine Hose unten, konnte sie Eddys Gürtelschnalle klimpern hören, als er sich aus der Jeans schälte. Als er zu ihr ins Bett schlüpfte, fragte sie sich nebenbei, ob die Stellung, die sie beschrieb, physisch möglich war, aber sie erzählte weiter, und jedenfalls tat es seine Wirkung bei Eddy Sie vergaß nicht einzuflechten, wie weh es getan hatte, als der Kerl ihn reinstieß, obwohl sie echt feucht gewesen war. Sie flocht auch ein, dass er sie an den Handgelenken festhielt, obwohl sie mittlerweile
den Überblick verloren hatte, was wo war, außer dass ihr Hintern in die Höhe gereckt sein musste. Eddy befummelte sie inzwischen, streichelte ihre Brüste und ihren Bauch, also ging sie von der improvisierten Brutalität des Kerls zu ihren angeblichen Empfindungen dabei über.
    Diese angeblichen Empfindungen hatte sie noch nie im Leben gehabt. Sie wusste, dass man an einen Punkt kommen konnte, wo es ein bisschen wehtat, aber noch schön war, aber darum ging es hier nicht. Eddy wollte hören, dass es sehr wehtat und sie sich mies dabei fühlte, dass es ihr aber trotzdem gefiel. Mona fand das völlig absurd, aber sie hatte gelernt, es so zu erzählen, wie er es wollte.
    Denn immerhin funktionierte es: Eddie wälzte sich mit der Decke über dem Rücken herum und schob sich zwischen ihre Beine. Sie vermutete, dass es in seinem Kopf wie ein Comic ablief, was sie ihm erzählte, und dass er gleichzeitig dieser gesichtslose, große, rammelnde Kerl wurde. Er hielt ihr jetzt die Hände über dem Kopf fest, wie er es gern tat.
    Und als er fertig war und zusammengerollt auf seiner Seite schlief, lag Mona in der muffigen Dunkelheit wach und wendete den Traum, diese Bude zu verlassen, hin und her. Es war ein strahlender, wunderschöner Traum.
    Und bitte lass ihn wahr werden.

5
    Portobello
    Kumiko erwachte in dem riesigen Bett, lag ganz still und horchte. Von fern war das schwache, beständige Rauschen des

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