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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schläger und Katzenmörder in Frage kam. Trotzdem war ich fest entschlossen, die nötigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und das Manuskript zu verstecken, wo es niemand finden würde – vielleicht nicht einmal mehr ich selbst.

    An der Seilbahn mußte ich eine halbe Stunde warten, bis die Gondel eingehängt war und der Betrieb aufgenommen werden konnte. Als es schließlich soweit war, standen so viele Fahrgäste an, daß sie uns wie Ölsardinen hineinpackten und die beladene Gondel wiegen mußten, bevor sie sie an dem sehr dünn aussehenden Seil über die Abgründe schweben ließen. Ich stand, das Gesicht an eine Fensterscheibe gepreßt, eingepfercht zwischen all den ungeduldigen Mittelwestlern und japanischen Touristen und genoß den herrlichen Ausblick auf siebenhundert Meter Tiefe, in die wir stürzen würden, wenn sich die Ladung dieser Apfelsinenkiste als zu schwer erwies. Mit dem Sessellift, dachte ich, wäre ich einfacher und schneller oben gewesen; aber ich war mir nicht sicher, ob ich die Stelle, zu der ich wollte, finden würde, wenn ich nicht von Scylla und Charybdis aus startete.
    Scylla und Charybdis waren meine Lieblingsfelsen, zwei riesige Zinnen, zwischen denen man hindurchfahren mußte, wenn man aus der Gondel kam – es sei denn, man fuhr durch tiefen Pulverschnee um sie herum, was ich selten tat und heute bestimmt nicht vorhatte, weil es auch ohne ein schweres Manuskript a uf dem Rücken schwierig war, an diesem tückischen Hang das Gleichgewicht zu halten.
    Die Stelle zwischen den zehn Meter hohen Felstürmen war schmal und steil. Es war ein unübersichtlicher Tunnel, in den nur durch einen schmalen Spalt von oben Licht fiel und der für einen Schneepflug zu eng war.
    Ich schob mich mit dem Rest der Sardinen aus der Gondel und nahm aus dem Wald von Skiern und Stöcken, die an der Seite der Gondel befestigt waren, das Paar, das mir gehörte. An der Aufwärmhütte ließ ich mir Zeit, klopfte den Schnee von meinen Stiefeln, schnallte die Ski an, rieb meine beschlagene Schneebrille blank und ließ meinen Seilbahngefährten, die es kaum erwarten konnten, sich den Berg hinunterzustürzen, den Vortritt. Ich wollte freie Bahn haben, wenn ich aus dem steilen Tunnel kam, um nicht den gestürzten Skifahrern ausweichen zu müssen, die gewöhnlich auf dem Hang unterhalb von Scylla und Charybdis herumlagen, und um unbeobachtet mein Versteck suchen zu können.
    Ich wußte, daß in der nächsten halben Stunde keine Gondel heraufkommen würde, und nachdem sich die Menge verlaufen hatte, machte ich mich allein auf den Weg. Das einzige Geräusch war das Zischen meiner Ski im Schnee, als ich in Fallinie losfuhr und in den schwarzen Schlund zwischen Scylla und Charybdis tauchte.
    Es gelang mir, in der Spur zu bleiben, bis ich auf der anderen Seite herauskam, wo mich unverhofft eine Bö erwischte, die mit voller Wucht seitlich auf meinen Rucksack drückte. Ich wackelte und war drauf und dran hinzufallen, aber dann hob ich den linken Ski, verlagerte mein Gewicht auf das rechte Knie, bis ich mit dem Handschuh über den Boden strich. Dann schnellte ich hoch und schwang mich wie ein Eisläufer auf das linke Knie, bis ich mein Gleichgewicht endlich wiederhatte.
    Ich holte tief Luft und musterte die Kontur der Berge. Die Grand Tetons erhoben sich majestätisch in der Ferne. Wonach ich ausschaute, war ein Grat, von dem ich abfahren mußte, um die Spalte zu finden, zu der ich wollte, und die dahinter liegende Höhle. Plötzlich war mir, als hätte ich das leise Zischen von Skiern hinter mir gehört. Merkwürdig, ich befand mich auf dem höchsten Skihang dieses Berges; über mir gab es keine anderen Lifte, und ich dachte, ich hätte gewartet, bis jeder aus der Gondel ausgestiegen und losgefahren war.
    «Mit dem Wedeln scheints noch nicht so zu klappen», sagte ein paar Meter hinter mir eine tiefe Stimme mit deutschem Akzent. In den Skigebieten trieben sich viele Deutsche herum, sagte ich mir. Es konnte nicht sein.
    Aber er war es. Er glitt neben mich, und wieder fühlte ich mich ein wenig wacklig auf den Beinen, als ich anhielt. Er nahm seine Skibrille ab, wickelte sie wie ein Gummiband um den Ärmel seines schwarzen Overalls und lächelte mich mit seinen türkisblauen Augen an.
    «Guten Morgen, Dr. Hauser», sagte ich verblüfft. «Was führt Sie mitten in der Woche hier herauf?» Dann nahm ich mich zusammen. Schließlich konnte das hier kaum ein Zufall sein, und das bedeutete, daß es gefährlich werden konnte. Also fuhr

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