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Nexus - Band 1

Nexus - Band 1

Titel: Nexus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Enzberger
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Verstand brauchte eine Weile, um die Bedeutung dieses Wortes in ihrer vollen Tragweite zu erfassen. Zu langsam und schwach für Waffenfeuer - das konnte nur… Asteroiden. Das Schiff musste auf seinem steuerlosen Weg in ein ganzes Feld davon getrieben sein. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dachte Tom mit einem Anflug grimmigen Humors, dass er einem von ihnen auf eine seltsame Art und Weise sein Leben verdankte… während der Rest des Schwarms es ihm auf die selbe Weise jeden Moment wieder nehmen konnte.

Egal. Er hatte sich dem Zugriff des Todes ein weiteres Mal entzogen - und mittlerweile war nur allein das für Tom noch von Bedeutung. Ein Toter konnte keine Rechnungen mehr begleichen… weder für seine Kameraden, noch sich selbst. Mit neuer Kraft begann Tom neben sich nach einem Halt zu tasten, stoppte seine Versuche abrupt wie fast erschrocken überrascht, als sein Handschuh die kantige Oberfläche harten Materials nicht einmal einen halben Meter unter sich berührte. Die Liftkabine… Tom verschwendete keinen weiteren Gedanken daran, ob sie es tatsächlich sein konnte oder nicht - verdrängte den euphorisch-ungläubigen  Schock der Tatsache, dass es wohl nicht viel mehr als die Winzigkeit einer einzelnen Sekunde gewesen war, die soeben über sein Leben entschieden hatte. Kurzentschlossen griff er neben sich herunter nach einem besseren Halt und schwang sich herum, bis das Licht seiner Schulter auf die nur knapp einen Finger breit hervorragende Erhebung der Zugangsklappe fiel, deren simple, magnetische Verriegelung allein noch zwischen ihm und dem Ende dieses kleinen, letztlich vom Schicksal gnädig berührten Alptraums stand.

Einfacher Plaststahl, der selbst dem Feuer eines einfachen Lasers nicht standhalten konnte. Tom presste seinen linken Handschuh gegen die Fläche des Metalls wie einen Anker, kniff die Augen zusammen so gut es ging und begann anschließend damit, die Energie blitzend heißer, kohärenter Impulse gegen die stückweise schmelzenden Eckpunkte der Abdeckung zu richten. Immer wieder lösten sich temporär verflüssigte Tropfen von der glühend heiß verdampfenden Hauptmasse, schwebten für einige Sekunden, glänzend wie Quecksilber, einige Zentimeter  in den freien Raum, bevor sie schier übergangslos augenblicklich zu festen Klumpen erkalteten. Tom beachtete sie nicht. Sein Blick kannte nur noch mehr ein Ziel: Überleben, um die Wahrheit über die Sabotage des Syndikats verbreiten - und Vergeltung für die Verbrechen dieses Tages üben zu können. Gestärkt von stiller Wut rammte er die geballte, waffentragende Faust ohne Unterlass gegen das hartnäckig Widerstand leistende Material - so lange bis es schließlich nachgab, und die gesamte Platte schräg nach unten driftend in der Kabine verschwand.

Tom machte sich nicht die Mühe, das ihm aus dem Kabineninneren entgegenstarrende Dunkel mit dem starren Kegel seiner Schulterlampe auszuspähen. Es kam nicht überraschend - schließlich musste die Hauptstromversorgung des gesamten Schiffes mittlerweile, bis auf ein paar isolierte Notstromeinheiten, vollständig ausgefallen sein. Darüber hinaus hatte er sich an die Begleitung der Finsternis gewöhnt… war sie doch ohnehin das geringste der Probleme, welche die wandelnde Insignifikanz eines einzelnen Menschen, gefangen in den untertunnelten Eingeweiden dieses riesigen, zerfallenden Klumpen Stahls haben konnte…

Er musste weiter. So gut es die plumpe Ummantelung seiner Hände erlaubte, entledigte sich Tom des nun nutzlosen Tornistergeschirrs, bevor er sich mit den Füßen voran nach unten durch die Kabinenluke abstieß. Sein Fall endete sanft, knapp über dem Boden abgefangen durch das Polster der Schwerelosigkeit, die sogar einem erfahrenen Raumfahrer wie ihm einmal mehr das Gefühl vermittelte, jede Form gewohnter Bewegung in eine wohltuende Empfindung anderweltlicher Trance zu tauchen. Tom wehrte sich gegen das Drängen seines gemarterten Körpers, dem drückenden Bedürfnis nach Ruhe… Schlaf und Frieden nachzugeben. Konzentration… nur noch für eine kleine Weile.

Tom biss die Zähne aufeinander und blickte starr voran. Die zweigeteilte Versiegelung der Kabinentür, hell angestrahlt direkt vor seinen Augen - sie konnten nicht vollständig geschlossen sein. Irgend etwas drang an ihm vorbei durch einen winzigen Spalt, ein sachter Luftzug, wie… Tom erschrak als ihn der Terror einer erst vor kurzem mühsam verdrängten Erinnerung ein weiteres Mal zu packen drohte. Nein! Nein…

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