Nexus - Band 1
bleib rational, verdammt. Er ist viel zu schwach für eine so starke Druckdifferenz… aber trotzdem musste die Luft auf der anderen Seite fast verbraucht sein. So oder so… es blieb keine andere Wahl. Wenn er schon starb, dann auf dem richtigen Weg. Tom stieß beide Handflächen gegen die Türhälften, sog soviel der kalten Sauerstoffreste um ihn herum in sich hinein wie er konnte und presste seine Arme mit aller Macht auseinander.
Der kleine Raum in dem er sich befand atmete aus - ein sachter Schwall aus entweichender Luft trieb Toms gewichtlose Gestalt ein Stück mit sich… hinein in etwas, dessen von den breiten Strahlen forschend eindringenden Lichtes reflektierte Muster sich ohne Verzögerung und mit schonungsloser Grausamkeit in seine entzündeten Netzhäute brannten. Der erste Körper von Vielen, Fleisch und Haut unter den Resten seiner blutbesudelten Uniform schrecklich entstellt von faustgroß zerfetzten Kratern und wie von langen, hakenbesetzten Krallen gerissenen Furchen. Tom Parkers Herz machte einen polternden Satz als er, ohne dass seine instinktiven Versuche es zu stoppen eine Wirkung zeigten, auf die vor ihm schwebende Leiche zutrieb - und gleichzeitig direkt auf den in verzerrter Agonie erstarrten, kalkweißen Überrest eines ehemals menschlichen Gesichtes. Helle Panik übernahm für einen kurzen Moment die Kontrolle über Toms Motorik, ließ seine Hände vorschnellen um nach dem grausigen Leichnam zu schlagen, als wäre er damit gleichzeitig aus jeder Erinnerung gebannt. Tom ruderte, für eine Sekunde destabilisiert von seiner eigenen Wucht, unkontrolliert um Halt suchend mit Armen und Beinen, driftete zur Seite und schaffte es gerade noch geistesgegenwärtig, das Nanofilament seiner rechten Hand mit beherztem Ausschlag gegen die Seitenwand zu heften.
Doch das Gefühl erleichterter Sicherheit, das ihm die erneute Kontrolle über seine hilflos driftende Physis zurückgegeben hatte, währte für Tom Parker nur kurz. Die Atmosphäre um ihn herum existierte nur noch als ein dünner Hauch, doch sie transportierte den Gestank von Blut und Tod so überwältigend mit sich, wie sie gleichzeitig unerbittlich fortfuhr, ihre Schlinge noch enger um seine Kehle zu ziehen. Tom unterdrückte ein Husten, presste einen Schwall erhitzt-verbrauchter Luft durch seine Nüstern und stieß sich mit gesenkten Augen vorwärts. Was immer hier geschehen war, zwischen diesem Friedhof schwebender Leichen… es durfte ihn nicht interessieren. Jeder Atemzug den er verschwendete, brachte ihn ein Stück näher zu ihnen… seinen hier gefallenen Brüdern und Schwestern, deren Andenken er geschworen hatte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Tom orientierte sich weiter an der Seitenwand des kerzengerade verlaufenden, kaum eine Manneslänge breiten Ganges, tauchte unter den glitzernd-scharfen Splitterwolken zerschossener Deckenbeleuchtung vorbei und nutzte die Haftungsfähigkeit seiner Handschuhe an den durch nichts anderes als großkalibriges Projektilwaffenfeuer teilweise über mehrere Meter hinweg verheerten Isolatorschichten, um sich Stück für Stück vorwärts zwischen den schwerelos treibenden, leeren Hüllen durch zu kämpfen. Einst denkende, fühlende Wesen… und nun nichts mehr als bloße Hindernisse auf seinem Pfad. Sie hätten mehr verdient.
Tot. Ermordet. Stärker und stärker beherrscht von nur diesem einen Gedanken scheiterte Tom immer wieder daran, seinen Blick von der Szenerie abwenden, die sich um ihn herum in die wenige Meter erleuchtete, schier undurchdringliche Finsternis erstreckte. Furcht und lähmender Terror vermischten sich mit der morbiden, herzklopfenden Faszination des vollkommen Neuen, das Toms Gehirn ihn trotz seiner Abscheu zwang, jedes nur mögliche Detail des hier Geschehenen in die Riege zukünftiger Alpträume einzureihen. Er wischte eine Ansammlung loser, aus der Wand gesprengter, verkohlter Brocken zur Seite und beeilte sich, nicht durch das doppelt faustgroße Loch hindurch zu sehen, das im implodierten Torso einer Offizierin mittleren Alters klaffte. So ruhig und federleicht sie auch an ihm vorbeizutreiben schien - Pein und ungläubiger Schrecken waren in ihr gefrorenes Gesicht gemeißelt - ebenso fest wie ihre kalten Finger noch den Griff einer leergeschossenen Pistole umklammerten. Ihre hastig zusammengewürfelte, kleine Einheit musste hier verzweifelt gegen einen übermächtigen Gegner gestanden haben. Ohne Rüstung, oder auch nur eine einzige der schweren Waffen, die sie im
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