Nexus - Band 1
verließ.
Es machte so und so keinen Unterschied mehr. Ob offen treibend oder eingeklemmt zwischen Metern gegossenen Stahls - ein Totenbett… war wie das andere. Nur eines war für Tom Parker gewiss: Dieses Schiff, wie es aus seinen vielen Narben glühend, feurig blutend vor ihm lag, würde sterben… und alle mit sich nehmen, die noch zu ihm gehörten.
Tom schloss seine Augen. Er konnte nicht mehr denken. Ob es der Virus war, dessen verderbende Essenz in seinem Blutstrom wucherte, oder die medizinischen Systeme des Anzuges, der das besudelte Leben seines Trägers weiterhin beschützte… Tom konnte nicht mehr sagen, was seinen Verstand schließlich endgültig beiseite in die Dunkelheit drängte, die ihn gleichsam physisch mit jedem Meter den er sich entfernte weiter und stärker umschloss.
Er wusste nur, dass er gelernt hatte, den Tod der auf ihn zukam so zu akzeptieren wie er war: Als eine in die Form ihrer Natur fest gegossene Entität die seit Äonen mit dem Kreislauf des Lebens koexistierte - früher oder später jeden vom Schicksal Markierten zu sich nahm, wenn seine entscheidende Stunde schlug. Sie existierte wie das Universum selbst das sie geschaffen hatte. Unabänderlich. Ewig.
Unbesiegbar.
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Kapitel I, Teil II: "Neugeburt"
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Der Traum. Tom Parkers Geist löste sich von der kalten Berührung des letzten, unangenehmen Bildes einer langen Folge in einer selbst erzeugten Reminiszenz ehemaliger Realität. Wohl nur einer unter Vielen, so wie sie nun einmal waren: hoffnungsvoll, angenehm, utopisch oder schlicht unsinnig - jedoch hatte seine Macht Tom fester gepackt als je ein anderer zuvor. Er ließ ihn das unzweifelhaft Vergangene neu erleben, immer und immer wieder… bis sein scheinbarer Tod es schließlich jedes Mal auf die gleiche Weise beendete.
Tom ließ die Augen geschlossen und die Spannung aus seinem Körper fahren, der sich völlig ohne Grund schmerzend in die angenehmen Polster eines Ein-Personen-Sitzes fügte, fest und sicher verankert in einer parallelen Folge langer Reihen an Bord des zivilen Personenshuttles auf dem er sich befand. Sicherheit… ja. Alles war in Ordnung. Es gab keine Feinde, keine Gefahr… keinen Kampf, keine Pein… kein Blut, das aus den Wunden der Toten und Verletzten floss. Nur die gedämpften Stimmen gelöster Unterhaltungen, unterlegt vom vernehmbaren Summen hinter formschöner, unbefleckter Fassade unsichtbar arbeitender Technologie.
Der Traum war vorbei… und wie immer, versanken seine ungeliebten Erinnerungen wieder gemeinsam mit ihm, langsam hinab in trügerisch vollkommen anmutende Vergessenheit. Tom akzeptierte dass es so war - die letzten Stunden der Aries IV lediglich mehr als fragmentierte Scherben in seinen bewussten Gedanken existierten, auch wenn ihn das Warum Tag für Tag weniger zufrieden gestellt hatte. Zu vollkommen erschien die plausible Erklärung einer schlichten Amnesie, als Nebenwirkung der wochenlangen Stasis, in deren Zuge auch die letzte viral infizierte Zelle aus Tom Parkers Leib gebrannt worden war, während Milliarden von Nanobots anschließend Strang für Strang seiner mutierten Doppelhelix zu ihrer ursprünglichen, genetischen Struktur neu kombinierten.
Dennoch schätzte er sich glücklich im Angesicht einer Gnade, mit der weder die TKB noch ihre imperialen Herren einfache Offiziere allzu oft beschenkten. Tom war froh noch er selbst zu sein… in Geist und Seele - und somit allem, was für einen Menschen wichtig war. Ein ansich bescheidenes Privileg, das jedoch sogar einige seiner früheren Kameraden schon lange nicht mehr besaßen . Schließlich ahndete das Imperium schwere Vergehen schon lange nicht mehr mit der langsam quälenden Folter des Freiheitsentzuges, oder auch nur der Erlösung eines schnellen Todes - sondern vollständiger Auslöschung. Die neurale Rekonfiguration der biologischen Maschine, als die jeder Mensch unwiderlegbar existierte, in einfachere… bequemere, vollständig resozialisierte Muster. Die Primäressenz eines guten, imperialen Bürgers… und doch im Endeffekt nichts anderes als künstlich definiertes, menschliches Leben - mit all den Makeln seiner fehlbaren Erzeuger.
Tom bremste den Gedankenfluss, der in ihm weiter anzusteigen drohte. Natürlich hatte man ihn vergessen lassen wollen…
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