Nexus - Band 1
Mächtigste aus einer kleinen Reihe unabhängig finanzierten Handelszentren, welche es sich bis zum heutigen Tage leisten konnten, außerhalb der direkten Jurisdiktion des alles umspannenden Verwaltungsapparates der Terranischen Kolonialbehörde und des Imperiums zu agieren. Seit den frühesten Anfängen der Kolonisierung ein latent geduldeter Dorn im Auge der TKB, bewegten sich die solidarisch einheitlich benannten "Freihäfen" in ihren Operationen oft am Rande der legalen Grenzen, und waren dazu dafür bekannt, noch in vielen weiteren Dingen ihren ganz eigenen Gesetzen zu gehorchen - selbst wenn diese in einigen Fällen sogar noch rigoroser und unerbittlicher verfolgt wurden, als in den imperialen Einflussbereichen. Trotz allem jedoch, galt dieses Konglomerat aus abgelegenen alten Basen und Stationen seit je her als eine, zuweilen regelrecht glorifizierte, Form des Symbols unbegrenzter Möglichkeiten, der Freiheit, und sicheren Ankerplätze für all Diejenigen, denen die strikt regulierten Makrokosmen der imperialen und TKB kontrollierten Welten auf lange Sicht keine Erfüllung bieten konnten.
So zumindest konnte man es sehen. Für Tom war es vorallem eine geschickt getarnte, kriminelle Halbwelt, die sich gerne ihre Anziehungskraft auf allerlei Typen freier Geister und Aussteiger zu Nutze machte, um ihre wahre Natur vor der Hand des Gesetzes zu verbergen. Wo anders könnte man die imperialen Kolonien also am besten zerschlagen, als an ihrem schwächsten Punkt?
"Andockvorgang abgeschlossen. Hauptschleusentür wird in Kürze entriegelt. TranStellar wünscht Ihnen noch einen angenehmen Tag!" Alarmiert und überrascht schnellte Toms Kopf von seinem improvisierten Ruheplatz an der unbequem-kantigen Seitenlehne seines Sitzes nach oben. Der Flug sollte eigentlich mehrere Stunden dauern, von denen Tom schwören könnte, keine zwei verbracht zu haben. War er tatsächlich die ganze Zeit über in diesem Traum gefangen gewesen? Noch während sich Tom von den Resten seiner in sich versunkenen Konfusion befreite, wiederholte die melodiöse Frauenstimme aus den Lautsprechern der Shuttlekabine einen Teil ihrer Ansage, den Tom in der versunkenen Tiefe seiner Gedankengänge gerade eben komplett überhört haben musste mit der selbstverständlichen, nüchtern-höflichen Art einer exakt für diesen Zweck programmierten künstlichen Intelligenz.
Die schnell wachsende Unruhe und Aktivität unter der ehemals kaum vernehmbaren Menge einer guten halben Hundertschaft weiterer Fluggäste, die gemeinsam mit ihm in der quadratisch-fensterlosen, eng bemessenen Kabine auf genau diesen Moment gewartet hatten, verfehlte auch auf Tom nicht ihre ansteckende Wirkung. Er stand auf und unterdrückte augenblicklich ein gequältes Stöhnen im Angesicht eines sekundenlangen Ansturms stechender Schmerzphantome, die selbst aus dem letzten Winkel seines Körpers auf ihn einzustürzen schienen. Tom fluchte innerlich, als er wie viele seiner Mitinsassen zugleich über sich griff um sein Gepäck - in Toms Fall einen schlichten, aus grauer Polymerfaser gewebten Seesack aus dem automatisch geöffneten Kabinett zu sich hinab zu ziehen, in dem seine ganze verbliebene Habe ruhte. Manchmal erschien es ihm, als würde sich sein Unterbewusstsein immer noch gegen die Tatsache wehren, dass es noch am Leben war…
"Sir."
Der gedämpfte, weiblich wohlklingende Ton respektvoller Ansprache ließ Tom vom Ansatz seiner gedankenverlorenen Starre auf- und überrascht zur Seite blicken - bis direkt in die erschöpften, von aufwendig frisiertem, weinrotem Haar formschön umrahmten Züge einer zierlichen jungen Frau, die sich ihm über die leere Sitzreihe zu seiner Rechten unbemerkt genähert hatte. Sie trug die schwarzgrau gemusterte Uniform eines Brückenoffiziers und balancierte den Umfang einer großen Tasche in ihren schlanken Armen, deren Gewicht merkbar auf ihr lastete. Erst bei näherer Betrachtung erkannte Tom, der sich ihr mit fragender Miene entgegenwandte, das Fehlen jeglicher aufgenähter Rangabzeichen an den typischen Stellen, was die Frage nach ihrem Hiersein ähnlich schnell erübrigte wie ihm die düsteren Mienen einer wachsenden Zahl ungeduldig wartender Fluggäste bewusst wurden, deren Fortkommen offensichtlich nur noch von ihm allein blockiert wurde.
"Lieutenant." entbehrte Tom einen knappen Gruß, am ebenso kurzen Anflug ihres Lächelns erkennend dass er ihren früheren Rang richtig erraten hatte.
Er sah ihr an dass sie auch weiter geduldig warten
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