Nexus - Band 1
würde, bis er mit seinem Gepäck fertig war - aber Tom hatte nicht vor, weder ihres, noch das im Vergleich auffallend gereizt wirkende Gemüt seiner anderen Mit-Passagiere weiter auf die Probe zu stellen, und beeilte sich sein Hab und Gut mit einigen koordinierten Handgriffen zu schultern, ehe er sich ohne Verzögerung auf den Weg in Richtung Ausgang machte.
Erst im weiteren Verlauf seines anschließenden, horizontalen Kurses durch die bereits fast bis zu ihrem Ende geleerte Sitzreihe, bemerkte Tom wie weise seine Entscheidung wohl gewesen war. Denn wohin er auch sah, erkannte er stets dieselben Spektren angespannter, teils sogar ausgesprochen feindseliger Mienen von Männern und Frauen zugleich, deren wenige, unterdrückt zwischen einander gewechselte Worte niemals lange unter dem drückenden Mantel des Schweigens hervortraten, der beinahe fühlbar über ihnen ausgebreitet lag.
Es war schwer, sich von dieser Stimmung, die eine indifferente Aura des Trübsinnigen, Verbissenen ausstrahlte, nicht anstecken zu lassen. Tom fand schnell heraus, dass er einen guten Teil seiner Disziplin aufbieten musste, um jegliche diesbezügliche Empathie zu unterdrücken, während er sich Schritt für Schritt, fest eingereiht in eine immer dichter werdende, stumme Doppelreihe aus Menschen durch die enge Luftschleuse zwängte, die ihn schließlich an Bord der Station bringen würde. Aber er führte kein Kommando mehr. Die Moral dieser Leute hatte ihn nicht zu interessieren.
Nach einer kleinen Weile, deren einzelne Sekunden sich träge hinzogen wie ein dicker Lavastrom, hatte Toms Position im Tross schließlich das Ende der Schleuse erreicht - und genauso wie es die Architektur seiner Umgebung vollzog, und sich der fleckige, unlackierte Plaststahl des Schleuseninneren mit den edelweißen, glatt polierten Kunststoffbelägen des Stationsganges tauschte, den er betrat - wich gleichzeitig automatisch ein großer Teil der drückenden Schwere von Toms Gemüt, als er zusätzlich von fern das Echo eines geschäftigen Betriebes vernahm. Und nun offenbarte sich ihm auch der Grund des zähen, im wahrsten Sinne des Wortes schrittweisen Dahinkriechens der Schlange, in deren Glied er sich befand: Eine kleine Gruppe aus gut bewaffneten, mit mittleren Infanteriepanzern gerüsteten Sicherheitsleuten hatte sich zu einer undurchdringlichen Wegblockade formiert, durch die im Abstand von einer halben Minute jeweils gerade ein einziger der Neuankömmlinge geschleust werden konnte. Ein Stufe Drei Wachroboter, Typ "Xerxes" auf summenden Antigravgeneratoren bildete die Speerspitze dieses unerwarteten Hindernisses und gab mit seinen beiden scharfkantigen, semi-humanoiden Krallenarmen, die das ansonsten eher kompakte, schwarz lackierte, kantige Chassis wuchtig flankierten, jedem neuen Probanden einzeln eine kurze Serie von Anweisungen, bevor ihm erlaubt wurde, zu passieren.
"Sensorengruppen im Wartungsmodus. Manuelle Sicherheitsüberprüfung auf Gefahrengut notwendig. Bitte stehenbleiben." schnarrte der Roboter, als Tom in ansich erfreulich kurzem Abstand darauf an der Reihe war, und blockierte den weiteren Weg mit ausgestreckter Klaue.
"Überprüfung beendet. Identität bestätigt. Willkommen, Bürger Parker, auf Freihafen IV. " Das einzelne, rundlich gläsern glänzende Kameraauge des Bots schien ihn für eine Sekunde prüfend zu fixieren, ehe er seine Ansage vollendete. "Einen angenehmen Aufenthalt."
Bürger. Wie fremd es auf ihn wirkte, so bezeichnet zu werden. Tom lies den Gedanken unvollendet, nickte knapp und schickte sich an, den Kontrollpunkt, seinen Seesack voraus, an den steifen Mienen der Wachleute vorbei zu passieren, welche wie erwartet ohne ein weiteres Wort zur Seite wichen, um ihn an sich vorbeizulassen, während der Roboter in seinem Rücken bereits den nächsten Passagier, in exakt gleicher Weise wie auch ihn selbst gerade, über das bevorstehende Prozedere zu instruieren begann.
Womöglich würde in naher Zukunft noch der ein oder andere Moment auf ihn zukommen, in dem er bereute den Vorzügen bequemer Ignoranz nicht erlegen zu sein, dachte Tom bei sich, als er sich mit geschultertem Seesack und zusehends kürzeren, gedämpfteren Schritten weiter vom Kontrollpunkt entfernte. Aber wie hätte er auch einfach so weitermachen sollen… nein, nicht nach all dem was geschehen war. Nicht mit diesen Bildern in seinem Kopf, all den Toten die nach Vergeltung schrieen… dieser ganzen, sinnlosen Zerstörung. Er musste einfach etwas tun. Egal was es
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