Nixenmagier
ja.«
Ich springe auf. »Tee ist gleich fertig, Mum. Geh schon mal rauf mit Roger.«
Roger lächelt mich an. Ein warmes, anerkennendes Lächeln, und ich kann nicht anders als zurückzulächeln. Ich muss zugeben, dass es manchmal gut ist, ihn hierzuhaben. Er sorgt sich wirklich um andere Menschen … und nett ist er auch. Nicht zu sanftmütig, sondern einfach nett.
Warum sollte ich nicht seine guten Eigenschaften anerkennen? Ich werde ihn noch lange nicht für meinen Stiefvater oder so was halten, nur weil ich ihn nicht mehr hasse.
Roger will bei Mum bleiben, bis sie eingeschlafen ist. »Eure Mutter hat hohes Fieber. Wenn es ihr morgen nicht besser geht, werde ich den Arzt anrufen. Stellt doch bitte die Musik leiser.«
Doch es ist bestimmt nicht die Musik, die Mum wach hält. Es sind der Wind und das wütende Brüllen des Meeres. Der Sturm ist beunruhigend und aufregend zugleich. So ungestüm war das Wetter noch nie, seit wir nach St. Pirans gezogen sind.
»Das Barometer fällt immer noch«, gibt Conor bekannt. Er steht im Eingangsbereich, wo das Barometer an der Wand hängt.
»Was zeigt es an?«
»Sturm. Es geht schon in Richtung schwerer Sturm.«
»Was kommt danach?«
»Orkan. Aber es wird keinen Orkan geben, Saph.«
»Hör doch nur!«
Wir lauschen beide. Jetzt weiß ich, was Mum so Angst macht. Das Haus klingt wie eine Trommel und der Wind ist der Trommler. Durch den Wind hindurch hören wir das ungestüme Tosen der See.
In diesem Moment klingelt das Telefon. Mal ist dran. Sein
Vater braucht dringend Hilfe und hat Mal gebeten, seine Freunde anzurufen.
»Er hat ein Boot mit seinem Bruder zusammen, du weißt schon, das große, klinkergebaute, mit dem er zu den Robben rausfährt«, erklärt Conor, während er seine Füße in die Stiefel zwängt. »Sie wollen es auf den Kai ziehen. Mal sagt, im Hafen geht alles drunter und drüber.«
»Ich komm mit!«
»Nein, Saph! Du bleibst hier. Sonst macht sich Mum wieder fürchterliche Sorgen, wenn du an so einem Abend rausgehst. Diese Aufregung kann sie jetzt nicht gebrauchen. «
»Aber ich kann auch mit dem Boot helfen. Ich bin stark.«
»Saph, bitte! Könntest du nicht einmal diejenige sein, die im Haus bleibt und sich um alles kümmert?«
Widerwillig stimme ich zu. Ich will Conor nicht verärgern. Doch sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hat, wünschte ich, ich wäre mitgegangen. Das Haus kommt mir nicht mehr wie eine Trommel, sondern wie ein Käfig vor, an dessen Stäben der Wind rüttelt. Ein scharfer Luftzug pfeift unter der Tür hindurch, worauf etwas Seltsames geschieht. Der Luftzug hebt den hellroten Läufer empor, den Mum dort als Fußmatte hingelegt hat. Er hebt zwar nicht richtig vom Boden ab, doch der Wind hat ihn von unten erfasst und lässt den dicken Teppich pulsieren, als wäre eine Welle ins Zimmer geschwappt. Ein unheimlicher Anblick. Nach ein paar Sekunden beruhigt sich der Teppich wieder. Doch als ich mich gerade frage, ob ich mir alles nur eingebildet habe, wird er erneut von einer Böe erfasst und schlägt mehrmals gegen die Holzdielen. Verglichen mit dem Lärm, den der Sturm veranstaltet, ist es nur ein schwaches Geräusch, doch
bereitet es mir eine Gänsehaut. Als wäre der Wind die Katze und der Teppich die Maus.
Sadie gefällt das ganz und gar nicht. Sie kauert am anderen Ende des Raumes und lässt den Teppich nicht aus den Augen.
»Ich finde das auch unheimlich«, murmele ich, indem ich meine Arme um ihren Hals lege. »Mir gefällt es genauso wenig wie dir.«
Sadie winselt kläglich, steht auf, schüttelt sich und trottet der Treppe entgegen, während sie auf meine Reaktion wartet.
»Du weißt doch, dass du nicht raufgehen darfst, Sadie.«
Doch sie schaut mich so flehentlich an, dass ich nachgebe.
»Na gut, aber nur dieses eine Mal. Solange dich keiner hört, darfst du in meinem Zimmer sein. Aber ich werde noch nicht ins Bett gehen, also musst du auf mich warten.«
Ich lasse Sadie neben meinem Bett liegen. Mein Zimmer ist so klein, dass ich über sie hinübersteigen muss, um zur Tür zu gelangen. Mein Bullauge ist fest geschlossen, und ich ziehe die Vorhänge vor, um die wilde Nacht auszusperren.
»Na, ist es besser so? Bist du jetzt zufrieden?«
Sadie schlägt mit ihrem Schwanz sanft auf den Boden. Sie weiß, dass sie keinen Krach machen darf. Sie ist hier wirklich sehr viel ruhiger als im Erdgeschoss. Warum nur?
»Bin bald wieder da, Sadie. Ich mache die Tür zu, damit Mum und Roger dich nicht sehen. Also ganz
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