Noch ein Kuss
sagte Carly, offensichtlich ein wenig beschämt. Trotzdem setzte sie die Tiere in dem engen Fußraum ab.
Mike wünschte, sie würde ihn ebenfalls so schnell ins Herz schließen, doch dann schob er den Gedanken gleich wieder von sich.
»Also, was hast du in nächster Zeit vor?«, fragte Carly bei der dritten Runde.
»Ich werde vorübergehend für eine Lokalzeitung arbeiten.«
»Wie vorübergehend?«
Das hätte er selbst gern gewusst. Eine leichte Brise umfächelte sie, sodass ein paar Haarsträhnen Carlys Gesicht streichelten. Die Geräusche des Parks und die Realitäten des Lebens schienen weit weg zu sein. Als das riesige Rad mit ihrer Gondel am höchsten Punkt stehenblieb, lugte Carly über die Seitenwand und versuchte, die Ursache für den Halt zu ergründen.
Sanft zog Mike sie wieder zurück. »Entspann dich, gleich geht es weiter.«
Carly lehnte sich zurück und sprach so leise weiter, dass er sich anstrengen musste, um sie zu verstehen. »Du hast mir noch nicht geantwortet. Wie lange wird es dauern, bis du zum nächsten Kriegsschauplatz eilst?«, fragte sie, den Blick auf den klaren blauen Himmel geheftet.
»Das weiß ich noch nicht.« Seine Abreise war im Moment das Letzte, woran er dachte. Mit Carly an seiner Seite schien alles andere unwichtig zu werden. Kein gutes Zeichen, dachte Mike. »Aber wenn der Anruf kommt, bin ich bereit.«
Er räusperte sich. »Warum hast du Pete nichts von deinem Buchvertrag gesagt?«, fragte er, um das Thema zu wechseln.
Carly sagte kein Wort, offensichtlich wollte sie seine Frage nicht beantworten.
»Und was ist mit den Ringen?«
»Was soll damit sein?«, fragte sie.
»Du hattest dir doch andere Ringe ausgesucht.«
Da sie nicht widersprach, begann Mike, sich verschiedene Dinge zu fragen. Würde sie, wenn er sie weiter bedrängte, erkennen, dass sie und sein Bruder gar nicht zueinander passten? Würde sie die ganze Sache abblasen, ehe zwei Menschen unglücklich wurden? Wollte er das überhaupt?
Verdammt, die Verantwortung war ihm zu groß. Er konnte Carly zwar jetzt zur Einsicht bringen, aber langfristig nicht für sie da sein. Sein Lebensstil eignete sich nicht für den Nestbau und die Geborgenheit, die sie anscheinend suchte.
Wenn er ihr die Augen öffnete, enttäuschte er sie am Ende genauso sehr wie sein Bruder. Pete und er gaben wirklich ein feines Paar ab. Mike schüttelte den Kopf. »Du liebst ihn doch, oder?«
»Wen?«
Ungläubig starrte er sie an. »Peter. Wen sonst?« Mit angehaltenem Atem wartete er auf Carlys Antwort. Eine Antwort, die ihm egal sein sollte, für ihn jedoch verflucht wichtig war.
»Oh. Ja. Natürlich«, sagte sie, ohne ihn anzusehen, ein sicheres Indiz dafür, dass sein Bauchgefühl stimmte.
Und da genau dieses Gefühl ihm viele Male den Hintern gerettet hatte, hatte Mike auch nicht ernsthaft daran gezweifelt.
Carly hatte sich offenbar am wolkenlosen Himmel sattgesehen und strich sich mit flattrigen Händen die Ponyfransen aus der Stirn.
»Das machst du andauernd.«
»Was?«, fragte sie.
»Das.« Langsam, und anders als sie mit sehr ruhiger Hand, fuhr Mike mit den Fingern durch ihre Fransen. Carly schluckte, was seine Augen auf ihren schlanken Hals lenkte. Stumm sah sie durch dichte Wimpern zu ihm auf, dann schlug sie hastig die Augen nieder. Zweifellos in der Hoffnung, die Gefühle zu verbergen, die sich darin gespiegelt hatten. Doch das war ihr nicht gelungen.
Mike versuchte, etwas zu sagen, doch die Worte wollten ihm nicht über die Lippen kommen. Stattdessen suhlte er sich, ihr seidiges Haar in der Hand, in der schmerzlichen Intensität seiner Gefühle für diese Frau, die er erst seit so kurzer Zeit kannte.
Mit einem Finger strich er ihr über die Wange und legte seine Hand unter ihr Kinn. Dann hob er ihren Kopf an. Ohne es zu wollen und wider besseres Wissen beugte er sich vor und küsste sie. Hauchzart und ganz kurz nur, doch schon bei dieser leichten Berührung durchzuckte es ihn wie ein Stromschlag.
Carly schnappte nach Luft, versuchte aber nicht, die zarte Verbindung zwischen ihnen zu lösen. Das blieb Mike überlassen, dem es nur mit größter Mühe gelang, sich wieder zurückzuziehen.
Carlys erhitztes Gesicht und ihre lockenden Lippen zeigten ganz deutlich, dass sie für seinen Bruder nie so empfunden hatte. Weder in der Vergangenheit, noch jetzt und schon gar nicht in der Zukunft. In der Hinsicht hatte er keinerlei Zweifel mehr, nicht weil er besonders eingebildet oder arrogant gewesen wäre, sondern weil er
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