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Nomadentochter

Titel: Nomadentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waris Dirie
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wenn man an einem Ort glücklich ist, so wie ich in der Wüste, dann fühlt man sich sicher. Alle Ängste lösen sich in Nichts auf, wie Wasser auf trockenem Boden. Auf dieser Reise habe ich jede Nacht fest geschlafen. Ich hörte die Hyänen in den fernen Hügeln kichern wie böse Feen, aber vor ihnen hatte ich keine Angst. Sie kommen nicht ins Dorf, um sich die Menschen zu holen. Allah hält seine Hand über die Hütten und beschützt jeden, sodass man sich über Gestern und Morgen keine Gedanken zu machen braucht.
Leber mit Blut
    2 Tassen Blut
    1 Pfund Leber
    2 Esslöffel subaq ghee
    Wasche die Leber, und schneide sie in kleine Stücke. Gib Leber, Blut und subaq ghee in eine Pfanne, und gare sie langsam unter ständigem Umrühren über glühender Holzkohle. Entfache die Kohle nicht, damit keine Asche in das Gericht kommt. So lange köcheln, bis eine weiche, feuchte Masse entstanden ist.

8

Wüstenträume werden wahr

    An diesem Morgen erwachte ich in einer anderen Welt. Die staubige, graue Ebene hatte sich in dunkelrote Erde verwandelt, und überall standen tiefe Wasserpfützen. In der Hütte meiner Mutter war alles vollkommen durchweicht. Durch die offenen Stellen im Blechdach konnte ich den Himmel sehen. Niemand hatte ihr beim Dach geholfen, sie hatte ganz alleine einzelne Blechplatten auf die Äste gelegt, die die Wände ihrer Hütte bildeten. Und sie war so klein, dass meine Mutter diagonal schlafen musste. Sie und Nhur waren schon seit Sonnenaufgang auf den Beinen. Nhur hatte bereits auf dem Markt eingekauft, und Mama hängte gerade ihre Sachen zum Trocknen über ein rostiges blaues Ölfass und auf den Dornbuschzaun, der die Hütte umgab. In einem kaputten Lastwagenreifen, der an der Hütte lehnte, hatte sich Wasser gesammelt, und eine der Ziegen leckte es auf. Aus den Augenwinkeln warf sie mir einen gelangweilten Blick zu und leckte dann weiter.
    Wir beklagen uns nicht darüber, wenn unsere Sachen bei Regen nass werden, sondern danken Allah dafür. Nach dem Koran stammt alles Leben aus dem Wasser. Regen bedeutet, dass das Gras grün wird – dann haben die Tiere und auch wir keinen Hunger mehr. In der Wüste ist Wasser kostbar, es heißt blaues Gold. Wir warten auf Regen, beten darum; waschen uns mit ihm. Ohne Regen gibt es kein Leben. Bei uns gibt es keinen Winter oder Sommer, sondern es gibt
jillal
, die Trockenzeit, und
gu
, die Regenzeit. Im Somalia wird ein Gast mit Wasser begrüßt, es ist ein Zeichen des Willkommens und des Respekts, und ich kam mir so vor, als habe Allah mich begrüßt. Die schwierige Reise, die lange, heiße Fahrt und die schweren Tage der Dürre waren vorüber; die
gu
-Regen hatten eingesetzt und Allah segnete uns mit Wasser. Ein fröhliches und gutes Omen für den Besuch bei meiner Familie!
    Ich umarmte und küsste meine Mutter. »Allah sei mit dir, Mama«, sagte ich. »Ich freue mich so, dich zu sehen, und hier an diesem wunderschönen Morgen bei dir zu sein.« Fest drückte ich sie an mich. »Wie habe ich dich vermisst! Ich liebe dich so sehr, Mama – mir fehlen die Worte.«
    »Lass mich los«, stöhnte sie im Spaß und sah mich lächelnd an. Sie tat so, als sei sie verärgert, aber ihre Augen leuchteten vor Stolz und Entzücken. »Waris«, sagte sie, »was für eine Überraschung, dich zu sehen! Ich habe gehört, du seist tot. Irgendjemand erzählte das – dann hat jemand behauptet, du seist Prostituierte geworden. Und jetzt hat Allah dich zurückgebracht, und du stehst vor mir in meiner Hütte. Wirklich kaum zu glauben!«
    Meine Mutter hat eine ganz besondere Einstellung zum Leben, die mich immer schon faszinierte. Sie trägt eine schwarze Perlenkette und ein Schutzamulett um den Hals. Das Amulett ist ein kleiner Lederbeutel, in dem heilige Worte aus dem Koran eingenäht sind. Ein
wadaddo
oder heiliger Mann hat ihn vor Jahren speziell für sie gemacht, und sie nimmt ihn nie ab. Er beschützt sie vor bösen Geistern.
    »Komm, ich zeige dir die Geschenke, die ich dir aus New York mitgebracht habe, Mama.«
    Sie machte eine abwehrende Handbewegung: »Geh deinen Onkel besuchen, mich hast du ja jetzt begrüßt.« Das sah meiner Mama ähnlich: immer dachte sie an die anderen, nie an sich selbst.
    Von Nhur wusste ich, dass es dem Bruder meines Vaters, Onkel Achmed, nicht gut ging, und ich musste ihn unbedingt sehen. Nhur hatte mir berichtet, ein
djinn
habe von seiner linken Körperhälfte Besitz ergriffen, aber das glaubte ich natürlich nicht. Mein Onkel ist älter als mein Vater

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