Noras großer Traum (German Edition)
auch verdient, Nora.« Ein freches Grinsen zeigte sich plötzlich auf seinem Gesicht. »Und ganz ehrlich, du wärst ein echter Gewinn für den australischen Fremdenverkehrsverein.«
Sie zog eine Grimasse.
»Hahaha! Kulturbanause. Mach dich nur lustig.«
Martin lachte und reichte ihr versöhnlich eine Wasserflasche.
»Hier, trink noch etwas.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Wir müssen jetzt aufbrechen. Schließlich haben wir noch eine ganz schöne Strecke vor uns. Und dieses Mal vertreten wir uns nicht wieder die Beine – mitten im Nichts.«
Sie lachte in der Erinnerung an die stachlige Eidechse und die Schlange. »Einverstanden.«
Als sie mit der Fotoausrüstung und ihren Reisetaschen das Hotel verlassen wollten, wurden sie von einer Mitarbeiterin an der Rezeption vor einem aufkommenden Sandsturm gewarnt. Martin bedankte sich freundlich, und sie gingen zum Wagen. Nora warf ihre Reisetasche auf den Rücksitz und sah zu, wie Martin vorsichtig seine Kameras verstaute.
»Was hältst du von dieser Warnung?«
Martin betrachtete den Horizont in alle Richtungen.
»Also ich finde das ja sehr aufmerksam, aber sieh dich doch mal um, es ist kaum eine Wolke am Himmel, und sehr windig ist es auch nicht. Ich denke, wenn wir zügig fahren, schaffen wir es glatt.«
Nora zögerte kurz, dann nickte sie. »Gut, wenn du meinst. Ich übernehme die erste Strecke.«
Als nach etwa zweihundert Kilometern keine Schwierigkeiten aufgetreten waren, hatte Nora ihre anfänglichen Bedenken schon fast vergessen. Martin saß inzwischen am Steuer, und sie beschäftigte sich mit ihrem Notizbuch. In Gedanken versunken, blätterte sie ihre Aufzeichnungen durch, erfreut darüber, wie viele unterschiedliche Facetten ihre Reportage würde abdecken können. Nach einer Weile fiel ihr auf, dass Martin schon seit längerer Zeit ruhig war. Als sie aufsah, erschrak sie. Der Himmel hatte sich völlig zugezogen, und ein heftiger Wind trieb roten Sand in Schwaden über den Highway. Martin fuhr konzentriert und ziemlich schnell. Nora runzelte die Stirn.
»Sag mir jetzt nicht, dass wir doch in diesen Sturm geraten. Bloß nicht!«
»Tja, ich versuche ja schon alles, damit er uns nicht einholt, Nora, aber, es sieht nicht wirklich toll aus.«
Nora schwieg. Im Grunde hatte sie keine Ahnung, was ein Sandsturm war oder ob eine echte Gefahr von ihm ausging. Doch das Gefühl, nicht zu wissen, was auf sie zukam, verunsicherte sie noch mehr. Der Wind schien sich alles greifen zu wollen, was ihm zu wenig Widerstand entgegensetzte. Er zerrte niedrige Büsche und Sträucher aus der roten Erde und wirbelte sie mit dem losen Sand durch die Luft, die bereits einen rötlichen Schimmer angenommen hatte. Ängstlich, aber dennoch fasziniert beobachtete Nora das Geschehen und registrierte, dass Martin den Wagen mit beiden Händen am Steuer in der Spur zu halten versuchte, denn die Windböen erfassten mittlerweile auch das Auto mit spürbarer Kraft. Als er schleudernd einem kleinen Baum auswich, der kurz zuvor auf dem Highway gelandet war, klammerte sich Nora unwillkürlich an ihrem Sitz fest.
»Martin, das hat doch so keinen Sinn mehr. Lass uns anhalten und das Ganze abwarten.«
Martin zögerte, fuhr aber schon deutlich langsamer. Noras Blick blieb draußen an einer großen Eidechse hängen, die eilig nach einem Unterschlupf suchte. Martin hatte immer noch nicht angehalten.
»Wenn ich nur wüsste, was klüger ist. Womöglich hängen wir hinterher hier fest, mitten im Nirgendwo, und was dann? Ja, was dann?«
Nora zuckte mit den Schultern. »Diese Frage stellen wir uns erst, wenn es so weit ist.« Sie deutete nach vorn. »Sieh dir das doch mal an. Du kannst gleich sowieso nur noch nach Gehör fahren. Meine Güte! So etwas hab ich noch nie erlebt. Ein Sturm ohne Regen oder Schnee, nur aus Wind und Sand – und man sieht kaum noch die Hand vor Augen.«
Sie hustete. Obwohl Martin die Klimaanlage auf Umluftbetrieb gestellt hatte, begann der Sand und Staub bereits durch feinste Ritzen in das Wageninnere zu dringen. Martin war an den linken Fahrbahnrand gefahren und hatte angehalten. Er schien ärgerlich auf sich selbst zu sein.
»So, nun sitzen wir fest und müssen abwarten.« Als er Noras erschrockenen Gesichtsausdruck wahrnahm, legte er eine Hand auf ihren Arm. »Bleib ruhig. Wir haben gar keine andere Wahl.«
Er sah sich um. »Hast du Baumwolltücher oder T-Shirts in deiner Reisetasche?«
Sie überlegte kurz, bevor sie nickte. Martin hatte sich schon nach hinten gebeugt
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