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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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hat, die Waffe, mit der er sein Opfer unter Kontrolle bringt, demütigt, verletzt. Mike wusste das ebenso gut wie ich.
    »Jedenfalls war sie absolut fit und hat’s dem Kerl nicht leicht gemacht. Sie hatte einen Doktortitel in Medizin, war geschieden, keine Kinder.«
    »Wer ist ihr Ex, und wo lebt er?«
    »Ich sag’ dir’s, sobald jemand so freundlich ist, mir’s zu verraten. Vergiss nicht, dass ich auch erst seit ‘n paar Stunden hier bin und dass man mitten in der Nacht nicht besonders viele Auskünfte bekommt. Das Klinikpersonal und die meisten ihrer Kollegen trudeln erst seit ungefähr einer Stunde hier ein, und ich hoffe, dass wir bald mehr wissen.«
    Ich nickte, während Mike fortfuhr. »Viel Persönliches war in ihrem Büro nicht zu finden. Keine Familienfotos, keine Schnappschüsse, weder von irgendwelchen Haustieren noch von Menschen, keine selbstgestickten Kissenbezüge mit netten Sprüchen oder Initialen. Nur jede Menge Fachbücher, Dutzende von Karteikästen voller Röntgenaufnahmen und Krankenblätter, ungefähr dreißig Plastikmodelle des menschlichen Gehirns – und ein vormals sicher ganz hübscher Perserteppich, der jetzt leider vor Blut nur so trieft.«
    »Wer hat sie gefunden?«
    »Der Wachmann, der kurz vor zwölf seine letzte Runde gedreht hat. Davor ist er bereits zweimal über diesen Flur gelaufen und hat beide Male nichts gehört. Aber dann hat er eine Art Stöhnen gehört. Mit dem Universalschlüssel hat er Dr. Dogens Tür geöffnet, und sofort den Notruf gewählt. Dann ist er aus den Latschen gekippt – zum großen Glück für die Jungs von der Spurensicherung nicht in ihrem Büro, sondern draußen auf dem Gang.«
    »Hat sie noch gelebt?«
    »Im allerweitesten Sinne. Ihr Körper war durchlöchert wie ein Schweizer Käse und völlig ausgeblutet. Ich gehe davon aus, dass sie nicht mehr bei Bewusstsein war, als der Mörder sich aus dem Staub gemacht hat. Wahrscheinlich lag sie schon ein paar Stunden da und hat dann in einem letzten Aufbäumen noch mal nach Luft geschnappt – das Geräusch, dass der Wachmann gehört hat. Die Ärzte, die aus der Notaufnahme angerannt kamen, wollten sie in den OP transportieren, um sie zu intubieren und die inneren Verletzungen in Augenschein zu nehmen, aber das hat sie nicht mehr mitgemacht. Jede Hilfe kam zu spät.«
    »Hat die Gerichtsmedizin schon mitgeteilt, wann sie niedergestochen wurde?«
    »Was glaubst du, wo wir hier sind? In einem Film? Du weißt doch, wie’s läuft: Nach der Autopsie und nachdem ich Dr. Dogens Mitarbeiter, Freunde oder Nachbarn befragt habe, wann sie sie zum letzten Mal gesehen haben, und nachdem ich dem Pathologen mitgeteilt habe, dass sich der Tatzeitpunkt bis auf eine Viertelstunde eingrenzen lässt, wird er mich mit großen Augen anschauen und mir als Tatzeit genau den Zeitraum nennen, den ich recherchiert habe.«
    Eine alleinstehende Frau, berufstätig, keine Kinder, keine Haustiere, niemand, der von ihr abhängig ist. Ich versuchte, meine persönlichen Vergleiche zu verdrängen und mich auf die Fakten zu konzentrieren, die Mike mir lieferte, aber irgendwie sah ich immer wieder meinen eigenen Körper hinter der verschlossenen Tür meines Büros im achten Stock der Staatsanwaltschaft liegen, während Dutzende von Leuten auf dem Gang vorbeigingen, ohne mal reinzuschauen oder nachzusehen, ob jemand da war. Konnte das sein?
    »Glaubst du, sie hätte den ganzen Tag in ihrem Büro liegen können, ohne dass es jemand bemerkt hätte? Eine schreckliche Vorstellung.«
    »Alex, die Frau hatte jede Menge um die Ohren. Sie konnte von Glück reden, wenn ihre linke Hand und ihre rechte Hand zufällig am selben Tag zur selben Uhrzeit im selben OP auftauchten. Sie hielt Vorlesungen an der Uni, operierte nebenan in der Klinik, hielt Vorträge auf der ganzen Welt, trat als Gutachterin in wichtigen Prozessen auf, und in ihrer Freizeit ist sie im Dienst unserer Regierung in Kriegsgebiete wie Bosnien und Ruanda geflogen, um unentgeltlich Kranke zu behandeln – und das sind nur die Aktivitäten, die ich beim Durchblättern ihres Terminkalenders im Monat März gefunden habe.«
    »Was hat sie gestern gemacht?«
    »Ich hab’ den Dekan der medizinischen Fakultät gebeten, es für mich herauszufinden. Dr. Dogen hatte das Wochenende außerhalb der Stadt verbracht und wurde im Lauf des Montags zurückerwartet. Aber ihr Dienst im Krankenhaus begann erst am Dienstag, also gestern, um acht Uhr morgens – sie sollte an einer von einem Kollegen geleiteten

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