Nur ein einziger Kuss, Mylord?
dass es das Risiko wert gewesen wäre? Törin, schalt sie sich. Er hätte dich umgehend entlassen .
Und wenn? murmelte eine hinterhältige kleine Stimme in ihr. Er ist reich. Du könntest dich mit ihm arrangieren, und das wür de bedeuten, dass du nie wieder arbeiten musst … dass du das hättest, was du dir am meisten wünschst: Sicherheit .
Aber wer wollte ihr garantieren, dass sie kein Kind empfing? Wenn das geschah, würde das ganze Elend von Neuem beginnen. Man konnte Vorsichtsmaßnahmen treffen, niemand wusste das besser als sie. Vorsichtsmaßnahmen, die im günstigsten Falle unsicher waren. Auch das wusste sie. Harry war der lebende Beweis dafür.
Nein, unmöglich. Sie würde es nicht riskieren, ein Kind in die Welt zu setzen, das keine Rechte hatte. Und ebenso wenig wollte sie für Geld zu Markte tragen, was sie einst sogar aus Liebe zu geben verweigert hatte. Begehren war nicht Liebe. Dieses rastlose, drängende Bedürfnis verging. Und bis dahin würde ihre hart erworbene, sonst so unerschütterliche Selbstbeherrschung eine harte Probe bestehen müssen.
Sie bückte sich und griff nach dem Korb mit den Brombeeren. Einige Früchte waren unerreichbar für sie, und der Rest lohnte keine Qualen. Hatte Lord Braybrook ihr nicht genau das zu sagen versucht?
„Die Wanderung war hoffentlich nicht doch zu anstrengend für Sie, Miss Daventry?“ Matthew musterte sie besorgt. „Sie sind so still heute Abend, wissen Sie. Und ziemlich blass.“
Christiana legte ihren Löffel neben dem Suppenteller ab. Sie war sich des aufmerksamen Blicks Seiner Lordschaft bewusst, als sie dessen Bruder zulächelte und sagte: „Keineswegs, Matthew. Ich bin ein wenig erschöpft, das muss ich zugeben, aber es ist eine angenehme Erschöpfung.“ Jedenfalls hätte sie das unter anderen Umständen sein können. „Übrigens habe ich Unmengen an Vögeln gesehen“, setzte sie hinzu, um das Thema zu wechseln. „Leider konnte ich nicht einmal die Hälfte von ihnen identifizieren.“
„Oh, dem ist leicht abzuhelfen“, versetzte Matthew fröhlich. „Borgen Sie sich einfach Braybrooks Vogelbücher.“ Er wandte sich an seinen Bruder. „Du gestattest es doch, oder?“
„Natürlich.“ Julian wandte sich an Christiana. „Da ich ohnehin mit Ihnen sprechen wollte, könnten Sie mich nach dem Dinner in die Bibliothek begleiten. Ich gebe Ihnen die Bücher dann mit.“
Gott im Himmel. Wieso hatte sie nicht den Mund gehalten? Sie konnte sich lebhaft vorstellen, worüber er mit ihr zu sprechen wünschte. Seine Kupferstichsammlung vermutlich.
„Vielleicht ein andermal, Mylord“, gelang es ihr zu sagen. „Ich glaube, Ihre Ladyschaft wollte die Planung für den Sommerball mit mir durchgehen, daher …“
„Aber nein, meine Liebe“, mischte Lady Braybrook sich ein. „Das kann warten, aber Sie haben mich gerade an etwas erinnert.“ Sie wandte sich an ihren Stiefsohn. „Und zwar deine Heirat.“
Julian hatte das Weinglas erhoben, um es zum Mund zu führen. Er hielt mitten in der Bewegung inne und starrte Serena an.
„Meine was ?“, fragte er ungläubig. Aus welcher verdammten Schublade hatte sie dieses Thema hervorgeholt? Bis gerade eben hatte sich die Unterhaltung um Nichtigkeiten gedreht. Nun ja …
„Deine Heirat, Julian.“ Serena trank einen Schluck Wein. „Ich nehme an, ich kann rückhaltlos sprechen. Matt wird nichts weitererzählen und Miss Daventry erst recht nicht.“
Ein rascher Blick in ihre Richtung bewies Julian, dass Miss Daventry so bestürzt aussah, wie er sich fühlte. „Gleichwohl ist es kaum …“
„Jedenfalls wird es Zeit, dass du eine Ehe ernsthaft ins Auge fasst“, unterbrach Serena ihn unbeeindruckt. „Du bist zweiunddreißig, und wenn du noch eine Familie gründen willst, musst du dich beeilen.“
Mit einem vernehmlichen Klingen setzte Julian das Weinglas ab. „Willst du mir sagen, dass ich zum alten Eisen gehöre?“
Matthew prustete los.
„Lass das, Matt.“
„Tut mir leid, Julian.“ Matthew hörte sich nicht im Mindesten bedauernd an.
„Das sicherlich nicht“, erwiderte Serena fest. „Aber wenn du die Sache noch lange vor dir herschiebst, werden die passenden Kandidatinnen allesamt viel zu jung für dich sein. Mach dir das klar! Die aus guter Familie stammenden, mit einer vernünftigen Mitgift ausgestatteten und vor allem hübschen Mädchen gehen weg wie warme Semmeln.“
Julian starrte seine Stiefmutter wortlos an.
„All das verlangst du doch von deiner zukünftigen Gattin, oder
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