Öl auf Wasser - Roman
ich mein Glück überstrapazieren? Auf der anderen Seite war da das Geld. Ich brauchte es, um Bomas Miete zu zahlen, und, ganz nebenbei, auch meine eigene …
Ich konnte natürlich einfach das Geld nehmen und nicht auf die Insel zurückfahren. Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich nicht an diese Möglichkeit gedacht hätte. Und überhaupt, verklagen konnte er mich nicht, oder? Ich könnte ihm erzählen, dass etwas dazwischen gekommen war, und das war’s. Hunderttausend taten einem wie ihm nicht weh. Außerdem hielt ich von Mr. Floode nicht sonderlich viel. Wenn es ihm wirklich um seine Frau ging, sollte er dann nicht mit Zaq draußen im Urwald sein, statt hier Cocktails zu schlürfen, fernzusehen, mit dem Dienstmädchen zu schlafen – das heißt, wenn er denn mit ihr schlief? Ich konnte sein Geld nehmen und weggehen und nichts würde passieren. Befand er sich etwa nicht in meinem Land, vergiftete mir die Umwelt und machte Millionen dabei? Da stand mir doch ein bisschen Wiedergutmachung von ihm zu, ein wenig Geld für die Miete? Doch selbst als ich das Geld von ihm nahm, und noch Einhunderttausend extra, die, wie er sagte, für Zaq bestimmt waren, war ich mir, als ich sein Anwesen verließ, immer noch nicht darüber im Klaren, was ich tun würde.
»Sagen Sie Zaq, dass er dazu befugt ist, in meinem Namen mit den Entführern zu verhandeln. Meine Botschaft hat mir untersagt, schon jetzt Lösegeld zu zahlen, aber ich sehe keinen Grund, warum wir nicht mit Verhandlungen beginnen sollten. Ich möchte die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich hinter mir haben. Verstehen Sie das?«
Ich bekam zwei unbeschriftete Umschläge von ihm und steckte sie in die Jackettasche, spürte ihr Gewicht auf meiner Brust und meinen Schultern.
»Ich schicke Ihnen eine Quittung.«
Er schüttelte den Kopf und nahm meine Hände und schaute mir ernst in die Augen.
»Nicht nötig, Rufus. Ich muss Ihnen vertrauen. Sie sind meine einzige Hoffnung, Sie und Zaq. Das Leben meiner Frau liegt in Ihren Händen. Ich weiß, dass es zwischen uns nicht zum Besten steht, sie ist aber ein guter Mensch und verdient das nicht.«
Ich wich seinem Blick aus, und dann überließ ich ihn seinem Cocktail, seiner Zwei-Wege-Klimaanlage, seinem verführerischen Dienstmädchen, seinen BBC-Nachrichten, seinem Stoppelbart, seinem doppelt gesicherten Haus am Strand, und machte mich auf den Weg zurück in die Innenstadt.
Als ich ankam, saß Boma auf einem Stuhl vor der offenen Eingangstür. Mit gesenktem Kopf starrte sie vor sich ins Nichts. Als ich ihre Schulter berührte, blickte sie auf und lächelte. Ich setzte mich zu ihr, und wir sahen zu, wie meine Mitbewohner einer nach dem anderen von der Arbeit nach Hause kamen, die Augen müde und ausdruckslos, die Schultern eingefallen. Sie winkten oder knurrten kurz, gingen in ihre Zimmer, um ihre Sachen auszuziehen und an den Nagel hinter der Tür zu hängen, um sie am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit wieder abzunehmen. Heute hatten wir Strom, und so würden sich die, die einen Fernseher hatten, davor auf einen Stuhl fallen lassen und auf den flackernden Schirm starren, während sie aufgequollenen
Garri
oder was sonst an Essen gerade da war, aßen. Essen und sinnlos glotzen, bis sie einschliefen. Die, die keinen Fernseher hatten oder die dampfende Hitze in ihren Zimmern nicht aushielten, kamen heraus und setzten sich auf die Veranda um mitzunehmen, was vielleicht an Brise durchzog.
»Hey, Rufus, alta Landsmann!«
Mein Nachbar Isaac. Er war Ibibio, und aus irgendeinem Grund glaubte er, dass ich aus seinem Dorf käme, und obwohl ich ihm gesagt hatte, dass das nicht stimmte, lachte er nur darüber und meinte, er hätte meine Gesichtszüge erkannt und wäre sicher, dass er einige meiner Cousins kannte. Und jeden Tag grüßte er mich mit dem dröhnend lauten Ruf:
»Alta Landsmann! Was macht’s Leben?«
Und ich hatte mir angewöhnt, mit so viel Fröhlichkeit, wie ich nach einem langen Tag noch aufbringen konnte, zu antworten:
»Alta Landsmann! Leben imma rauf und runta.«
Eine Familie ist wert, dass man an ihr festhält, wo immer man eine finden kann. Allerdings fiel es ihm dadurch auch leichter, mich anzupumpen, wenn es in den elenden Tagen vor dem Zahltag wieder eng wurde. Über den Hof saßen Madam Comfort, ihr Mann Mr. John und ihre sechs Kinder auf Hockern vor der offenen Tür und aßen zu Abend. Auf der gesamten Veranda hatten die anderen Familien in ähnlicher Weise diesen engen Raum zu einer
Weitere Kostenlose Bücher