Öl auf Wasser - Roman
aber, sie wären nur gekommen, weil sie sehr krank war und sie wüssten, dass wir hier eine Krankenschwester hätten. Sie sagten, sie wären in ein paar Tagen wieder fort. Naja, zwei Tage später machten sich einige in einem Boot auf den Weg. Sie hatten zwei Boote, und mit einem sind sie fort, sieben von ihnen, einschließlich des Professors. Unsere Krankenschwester hat sich um die Frau gekümmert, Fieber und Durchfall bei ihr festgestellt. Wir warteten darauf, dass auch die anderen abzogen, und als das nicht geschah, bin ich in ihre Hütte gegangen und habe gefragt, was los sei. Sie antworteten, sie warteten immer noch auf die Rückkehr des Professors. Sie sahen besorgt aus. Nun, während wir redeten, kam der Professor in Begleitung von nur zwei Männern herein. Die anderen, sagte er, wären beim Gefecht mit den Soldaten getötet worden. Er war verwundet, wollte sich aber nicht setzen. Er sagte, sie müssten unverzüglich los. Ich ließ sie allein, dann …«
Der Priester hielt inne und starrte schweigend auf den frischen Erdhügel vor uns.
»Dann was? Ist sie gestorben?«
»Er kam unmittelbar bevor sie abfuhren zu mir. Er brachte mich hierher und sagte: Sie werden auf der Suche nach ihr hierher kommen. Und wenn das passiert, zeig ihnen ihr Grab. Das ist für die Männer, die sie umgebracht haben. Vielleicht lehrt sie das, in Zukunft keine Spielchen mit uns zu treiben.«
»Ich glaube ihm kein Wort.«
»Aber er würde uns doch nicht anlügen, mit Sicherheit …«
»Das ist ja das, was mich stutzig macht. Warum sollte er uns bei einer solchen Sache belügen?«
Ich dachte ebenso wie Zaq. Irgendetwas stimmte da nicht. Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich mir vorgestellt, dass unsere Suche so abrupt vor einem namenlosen Grab in einem Schrein enden würde. Zaq sprach den ganzen Tag nicht mehr. Er lag auf seiner Matte, schaute zum spitz zulaufenden Dach hoch, die zweite Flasche in der Hand. Auf meine Fragen antwortete er nur mit einem einsilbigen Grunzen. Ich schlief ein und wachte gegen fünf Uhr nachmittags wieder auf. Ich nahm meinen Fotoapparat.
»Wo willst du hin?«
»Ne Runde spazieren.«
»Ich glaube, du solltest dich lieber mit dieser Krankenschwester treffen.«
»Gloria.«
»Frag sie, was sie über die Engländerin weiß.«
»Was, wenn sie nicht reden will?«
»Ich hab dir doch gesagt, dass sie dich mag. Also halte Händchen. Küsse sie. Bring sie nur zum Reden. Das ist sehr wichtig. Gefällt sie dir nicht?«
»Sie ist eine sehr hübsche Frau, Zaq.«
Ich machte Aufnahmen vom Friedhof, vor allem eine Großaufnahme des frischen Erdhügels, dann richtete ich mein Objektiv auf die Skulpturen. Danach spazierte ich ziellos umher und hoffte, irgendwo einen Blick auf Gloria zu erhaschen, aber sie war nirgends zu sehen. Ich stieg zur Hügelkuppe hinauf und setzte mich und starrte über das Wasser hin zu den fernen Abgasfackeln, die plötzlich aus säulengleichen Röhren aufschnellten und ein Dach aus abscheulich schwarzem Rauch trugen. Ich dachte über vieles nach, über die Worte des Priesters, über die Weiße, die inzwischen tot und beerdigt war, über Zaqs Angebot. Irgendwann hatte ich das Grübeln satt und stieg hinunter, um mit den Glaubensanhängern zu essen. Ich traf Gloria an der Stelle, an der wir gestern gegessen hatten.
»Ich komme gerade aus deiner Hütte.«
Sie sah reizend aus und lächelte fröhlich.
»Hast du Zaq angetroffen?«
»Ja. Er war heute ziemlich gesprächig. Ich denke, er erholt sich recht gut. Halt ihn bloß von der Flasche fern.«
Ich fragte mich, worüber sie mit Zaq geredet haben könnte. Ich überlegte, wie ihre Vergangenheit aussehen mochte, warum sie nicht verheiratet war oder ob sie vielleicht schon einmal verheiratet gewesen war.
»Hast du schon gegessen?«
»Nein. Eigentlich wollte ich kochen und Zaq und dich zu mir zum Essen einladen. Aber Zaq hat gesagt, dass er keinen Hunger hätte.«
»Und …«
»Und deswegen musst du für zwei essen. Na los, gehen wir.«
Ich ging hinter ihr auf einem Pfad, der in den Wald führte, und nach ein paar Schritten kam es mir so vor, als wären wir in eine andere Dimension eingetreten, fort vom Meer und den Skulpturen und Hütten und den Glaubensanhängern. Die riesigen
Irokos
verdeckten vollständig die Sonne, und wenn doch einmal ein vereinzelter Sonnenstrahl seinen Weg durch die Abermillionen Blätter und Zweige fand und auf unsere Haut oder die abgestorbenen Blätter auf dem Boden fiel, sah er so rein und verstörend
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