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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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zusammengekauert in einer Ecke sitzen. Der Junge schlief, sein Kopf ruhte an der knochigen Schulter seines Vaters, die Beine hatte er von sich gestreckt. Ich merkte, dass der Alte mich anstarrte, und in seiner Haltung erkannte ich eine verlegene Entschuldigung, als wollte er sagen, dass es ihm leid täte, wie alles gelaufen war, und ich wollte ihm sagen, dass ich es war, der sich entschuldigen sollte, weil wir ihn in diese Lage gebracht hatten.
    Die meisten Männer lagen auf dem Fußboden. Mancher hatte das Gesicht zur Wand gekehrt. Ich hatte keine Ahnung, wie lange sie schon Gefangene des Majors waren oder welche anderen Bestrafungen sie neben der Benzindusche bereits zu ertragen gehabt hatten, aber sie sahen allesamt erschöpft und mutlos aus. In einer einförmigen, krampfartigen Choreografie kratzten und rieben sie ihre ausgetrocknete Haut an den Stellen, an denen das Benzin sie verbrannt hatte, an denen es immer noch brannte. Nur einer saß da, ohne sich wie verrückt zu kratzen; er hatte den Kopf gesenkt, schien aber nicht bezwungen oder ermattet wie die anderen; er sah gedankenverloren aus, ein Mann, der in seinem eigenen Gehöft sitzend an der Wand lehnte. Ich kroch auf ihn zu, und als ich mich ihm näherte, packte mich von hinten eine riesige Pranke im Genick und zog mich zurück, und plötzlich starrte ich in zwei rote Augen, die sich in mich bohrten, ausdruckslos, ohne mit der Wimper zu zucken. Der nachdenkliche Mann hob den Kopf und bedeutete meinem Fänger:
    »Lass ihn los, Taiga.«
    Erst nachdem die Faust mich freigegeben hatte, konnte ich wieder atmen. Ich keuchte, sog die rauchige Luft ein, rieb mir den Nacken, der sich anfühlte, als wäre er gebrochen. Ich setzte mich neben den Mann.
    »Danke.«
    »Hast du geglaubt, er würde dich umbringen? Wir sind keine Mörder, mein Freund, egal was ihr Jungs über uns schreibt.«
    »Ich heiße Rufus, und das ist Zaq, mein Kollege.«
    »Und was macht ihr hier?«
    »Wir sind Gefangene, wie ihr auch. Der Major glaubt nicht, dass wir unschuldige Journalisten sind.«
    »Und, seid ihr?«
    »Was?«
    »Unschuldige Journalisten?«
    »Selbstverständlich. Ich arbeite für den
Reporter
, und Zaq schreibt für den
Star

    »Ist er der Zaq, der früher bei der
Daily Times
war?«
    »Ja.«
    »Das soll er mir selber sagen.«
    Zaq hustete und setzte sich auf.
    »Ja, mein Freund. Der bin ich. Und wie heißt du?«
    »Henshaw.«
    »Freut mich, Henshaw.«
    »Wir sind hier, um etwas über die Britin zu erfahren. Lebt sie noch?«
    »Wollt ihr nur von mir wissen, ob irgendeine ausländische Geisel noch lebt oder nicht? Was spielt sie angesichts des Krieges, der da draußen tobt, der Hoffnungen und Wünsche, die entstehen und zerstört werden, schon für eine Rolle? Ihr müsst das Große und Ganze sehen.«
    Henshaw klang gebildet und sehr selbstbewusst, deshalb käme man wohl am besten voran, wenn man an seinen Verstand appellierte. Zaq schien das ebenfalls zu glauben. Ich wartete ab, ob Henshaw noch etwas hinzufügen wollte, aber er schwieg. Er hielt den Kopf schief als schlummerte er, bereits gelangweilt von diesem kleinen Wortwechsel. Ich räusperte mich nach einer Weile. Ich konnte Zaq in der Dunkelheit spüren, wie er darauf wartete, dass ich weiter machte. Mir war klar, wie die Zeit verstrich: Bald war die Nacht vorüber, und wer konnte schon sagen, was der Morgen brachte. Wie lange würden Zaqs Lebensgeister durchhalten, wie lange würde er klar im Kopf bleiben, wie lange würde er überhaupt noch leben?
    »Hat eure Gruppe denn einen Namen?«
    »Nein. Wir hatten mal einen, jetzt aber nicht mehr. Das ist etwas für Kinder und Idioten. Wir sind das Volk, wir sind das Delta, wir repräsentieren genau die Erde, auf der wir stehen.«
    »Gehörst du zum Professor?«
    »Nein. Dem Professor bin ich nie begegnet. Wir gehören zu einer anderen Gruppe, wir sechs. Der da drüben gehört zum Professor. Der kann euch vielleicht etwas über die Weiße erzählen. Hey, du da, rede mit den Reportern. Na los, rede.«
    Das Kratzen und Zucken und schmerzerfüllte Stöhnen hatte aufgehört, weil inzwischen alle die Ohren spitzten, um unserem Gespräch zu lauschen. Sogar die Moskitos schwirrten mir nicht mehr sirrend um die Ohren. Ich drehte mich um und sah den Mann an. Er saß abseits, neben der Tür, den Rücken an die Wand gedrückt, fort von all den Augen, die ihn mit einem Mal anschauten. Als ich zu ihm hinüberkroch, schüttelte er den Kopf, und als ich unmittelbar vor ihm hockte, wandte er das

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