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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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verschlungen.«
    Bei diesen Worten erhob sich Orthon wieder, ohne irgendjemand eines Blickes zu würdigen. Er blieb mit gekrümmtem Rücken vor dem Kamin stehen, die Hände auf den Kaminsims gestützt, während alle Anwesenden, einschließlich seiner engsten Getreuen, ihn beobachteten. Draußen war inzwischen Wind aufgekommen. Er blies mit heftigen Böen, ließ die Fensterläden schlagen und die Mauern des Gebäudes erbeben. Da sich Orthon nicht mehr rührte, ließen sich die Rette-sich-wer-kann schließlich auf den Sofas nieder.
    Oksa nutzte die lastende Stille, um sich die Treubrüchigen etwas genauer anzusehen. Zwei Männer stachen ihr vor allem ins Auge. Obwohl sie schon ein gewisses Alter erreicht haben mussten, waren beide stattliche Erscheinungen und strahlten Intelligenz und eine Furcht einflößende Grausamkeit aus. Agafon und Lukas, schloss Oksa. Die unbarmherzigen Mauerwandler. Beide waren groß und kräftig, dazu kam ihre stolze Haltung und vor allem ihr ungewöhnlich jugendliches Aussehen. Die Intemporentas, schoss es Oksa durch den Kopf, die Perlen der Langlebigkeit. Beide trugen die traditionelle Kleidung Edefias: eine Art Kimono aus dunklem Wollstoff mit aufgestickten geometrischen Motiven am Kragen und an den Ärmeln. Einer der beiden neigte den Kopf, als Oksa seinem klaren Blick begegnete. Verunsichert wandte sie sich ab. Mittlerweile hatte Orthon sich wieder gefangen und kehrte zu seinem Sessel im Zentrum des Raums zurück. Alle Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf ihn.
    Remineszens hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete ihren verhassten Zwillingsbruder, der ihr so ähnlich sah, voller Abscheu. Wie hatten sie sich nur so unterschiedlich entwickeln können? Sie hatten einander mit geschwisterlicher Zuneigung geliebt, bis Ocious die Liebsten-Entfremdung angeordnet hatte, die ihr Leben zerstören sollte. Orthon hätte diese erbärmliche Tat verhindern können, wenn er es gewollt hätte. Ob er zumindest Schuldgefühle empfand? Bevor ihn dieser Wahn befallen hatte, sicherlich … Ehrlich gesagt, hätte es sie auch nicht gewundert, wenn diese Schuldgefühle mit zu dem Groll beitrugen, den er gegen ihren Vater Ocious hegte. Die Schuldgefühle, denen er sich nicht stellte, mussten ihm tonnenschwer auf der Seele lasten. Trotz dieser Überlegungen fand Remineszens es unerträglich, mit ansehen zu müssen, wie ihr Bruder alle einschüchterte. Eine eiskalte, gnadenlose Wut bemächtigte sich ihrer. Es war stärker als sie: Sie katapultierte sich mitten in den Raum, landete direkt vor ihm und fixierte ihn. Orthons Anhänger reagierten sofort und drohten, sich auf sie zu stürzen, doch Orthon hielt sie mit einer Handbewegung zurück.
    »Du willst uns weismachen, dass es dir um Leomido leidtut?«, fragte Remineszens ihn zornig. »Warum hast du so viele Leben zerstört? Wie viele Menschen hast du getötet, Orthon? Wie viele? Weißt du es überhaupt?«
    Der Treubrüchige neigte mit verächtlicher Miene den Kopf zur Seite.
    »Langsam, langsam, schöne Schwester. Jeder Kampf fordert seine Opfer, das weißt du doch! Kollateralschäden sozusagen …«
    »Von welchem Kampf redest du denn?«, schrie Remineszens und baute sich, die Hände in die Hüften gestützt, vor ihm auf. »Von deinem kleinen Privatkrieg, um dein mit Komplexen überladenes Ego zu befriedigen?«
    »Ich erlaube dir nicht …«, donnerte Orthon.
    Aus seinen Augen zuckten feine Blitze.
    »Du hast dafür gesorgt, dass ich eingemäldet wurde, weil du fürchtetest, ich könnte deine Pläne durchkreuzen!«, fuhr Remines­zens unbeirrt fort. »Du hast meinen Sohn und seine Frau getötet! EINFACH NUR, WEIL SIE DIR IM WEG WAREN!«
    In ihrem maßlosen Zorn zog sie ihr Granuk-Spuck heraus. Orthon rührte sich nicht von der Stelle.
    »Du kommst nicht gegen mich an«, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Du kannst mir wehtun, du kannst mich verletzen, aber wirklich ausrichten kannst du nichts gegen mich.«
    »Gegen dich vielleicht nicht«, erwiderte Remineszens. Ihr Gesicht war weiß vor Zorn. »Aber gegen ihn schon!«
    Sie schoss ein Arboreszens-Granuk auf Mortimer ab, Orthons jüngeren Sohn. In diesem Augenblick war es mit allen Bemühungen, den Anschein friedlicher Absichten aufrechtzuerhalten, vorbei. Zu viel Wut und Groll erstickte die Herzen der Rette-sich-wer-kann, zu viel Hochmut und Ruhmesphantasien verblendeten die Treubrüchigen. Der Grässlon ging als Erster in die Offensive.
    »Ich spuck dir ins Gesicht, du

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