Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
zusammen. Auch er war der Meinung, dass eine weitere Panne in so kurzer Zeit nicht hinzunehmen war. Um sich zu beruhigen, ging er nach draußen. Eine Zigarette rauchen. Er blies den Rauch gegen den dunklen Himmel. Im Augenwinkel sah er wie einige Journalisten und Fotoreporter im Sturmschritt auf den Haupteingang des Krankenhauses zuliefen. Die Fotokameras baumelten um ihre Hälse. Er trat einen Schritt zurück in den nächtlichen Schatten des Gebäudes. Unter ihnen hatte er auch Maier erkannt.
Es war wie immer. Keiner hatte die Presse informiert. Später vermutete die Staatsanwaltschaft eine undichte Stelle in den Reihen der Polizei. Ausgerechnet dort. In Wahrheit war es der Anwalt Flottmanns gewesen, der sich davon eine gute Reputation versprach. Auf so eine Chance hatte er sein ganzes Leben gewartet.
Wendt stand drinnen und versuchte mit ausgebreiteten Armen dem Heer der Journalisten Herr zu werden. Er schaute sich nach Hell um. Der war verschwunden. Alles was er sah waren die Kameras und laufenden Diktiergeräte der ihn bedrängenden Journalisten. Er verfluchte seinen Chef.
In Daniel Hesses Hand lag der Bullenstopper. Er betrachtete die grobe Waffe. Sie hatte ihren Dienst so verrichtet, wie er es erhofft hatte. Anders als mit der Armbrust hatte er damit keine Tests durchführen können. Er wickelte sie wieder ein und steckte sie in den Rucksack. Den legte er in den alten Metallschrank im Keller seines Hauses und hängte das Vorhängeschloss wieder ein. Mit einem Klick war die winzige Portion Sicherheit, die das Schloss bot, wieder aktiv.
Hesse war mit seinem Tag zufrieden. Flottmann hatte seine Strafe erhalten. Er war nun eine lebendige Litfaßsäule. Jeder konnte nun sehen, was er trieb. Es stand ihm auf der Stirn geschrieben. So hatte es sein Vater immer gesagt.
‚Daniel, es steht dir auf der Stirn geschrieben, dass du gelogen hast‘.
Und zu allem Überfluss hatte er auch noch die Idee gehabt, ihn ins Auto der Polizei zu verfrachten. Er grinste in sich hinein. Er war auf die Schlagzeilen des kommenden Tages gespannt. Die Polizei würde nicht gut wegkommen. Auf dem Tisch in der Küche lag eines der Bücher aufgeschlagen, die er aus der Wohnung Flottmanns gestohlen hatte. Auf einem der Bilder war Flottmann zu sehen, ebenfalls Lohse und ein weiterer Mann. Im Hintergrund war ein Teil eines Gebäudes zu erkennen. Als er dieses Bild das erste Mal sah, hatte er eine Gänsehaut bekommen. Das Gebäude kannte er. Er kannte auch den dritten Mann auf dem Bild. Der hieß Thomas Dempf und war ein Bauer, genauer gesagt, ein Viehbauer. Außerdem betrieb er einen Reitstall. Und er hatte ganz offensichtlich eine Verbindung zu diesen Verbrechern. Hesses Tochter hatte auf seinem Hof Reitstunden gehabt. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, sein Kind in die Obhut eines vermutlich perversen Mannes gegeben zu haben.
*
Um halb acht ging Wendt aus dem Haus. Es hatte das erste Mal seit Tagen geregnet, die Luft war noch kühl und es roch frisch. Er kaufte an einem Kiosk alle lokalen Tageszeitungen, fast auf jeder Titelseite stand der Überfall auf Flottmann. Auf einem der Bilder war er zu sehen, wie er mit gehetztem Blick und tief ins Gesicht gezogener Mütze in das Auto seines Anwalts stieg. Er hatte den rechten Arm zum Schutz gehoben. Vielleicht war es auch eine Drohung gegenüber den Fotografen gewesen. Der Titel der Schlagzeile war der einzig Positive. Die Polizei kam dabei noch recht gut weg.
Der Ärger über seinen Chef war verflogen. Oben in seiner Wohnung lag noch warm und verführerisch die Liebschaft der letzten Nacht. Er kaufte in einem Back Shop noch ein paar Croissants und einen Coffee to go.
Hell klopfte mit seinem Bleistift auf den Tisch im Besprechungsraum. Vor ihm lag ein Stapel Zeitungen, den Wendt angeschleppt hatte. Er sah das Foto, das Maier von Flottmann gemacht hatte und er hatte den Text kurz überflogen. Maier hatte sein Versprechen wahr gemacht und nicht auch gegen die Polizei gehetzt, wie es viele seiner Kollegen getan hatten.
„Wir sollten jetzt anfangen“, sagte er, „Wir haben genug zu tun heute.“ Die Gruppe antwortete mit einem geschäftigen Papierrascheln. Dann war es still.
Hinter ihnen an der Wand hatte jemand die Bilder des malträtierten Flottmann aufgehangen. Von dort starrte er vorwurfsvoll auf den Haufen Polizisten, die er für seine Situation verantwortlich machte.
„Wen erinnert das auch an Lisbeth Salander?“, fragte Klauk in die Stille hinein.
„Stieg
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